Entgeltfortzahlung bei Covid-19?
Die mögliche Corona-Infektion eines Mitarbeiters hat mit Blick auf die Entgeltfortzahlungspflichten nicht in jeder Konstellation dieselben Auswirkungen. Entscheidend ist, ob ein Berufsverbot verhängt wurde oder nicht. Doch auch dann gibt es unterschiedliche Rechtsmeinungen zu den Folgen. Der ehemalige Vorsitzende Richter am Bundesarbeitsgericht, Prof. Franz-Josef Düwell, spricht sich im exklusiven iGZ-Interview für eine schnelle und unbürokratische Klärung aus.
Grundsätzlich ist Voraussetzung für die Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit, dass eine Person aufgrund einer Erkrankung nicht in der Lage ist, ihre Tätigkeit auszuüben. Wie verhält es sich denn in dem Fall, wenn ein Arbeitnehmer symptomlos an der durch das Coronavirus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19 erkrankt ist, es also den häufiger vorkommenden „leichten Verlauf“ gibt?
Grundsätzlich ist es so, dass ein symptomlos an Covid-19 erkrankter Arbeitnehmer nicht infolge einer Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist. Also liegt, arbeitsrechtlich betrachtet, keine Arbeitsunfähigkeit vor.
Also muss der Arbeitnehmer trotz Ansteckungsrisiko arbeiten gehen?
Nein. Die Lösung des Problems liegt im Infektionsschutzgesetz. Bereits bei Verdacht des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus und erst recht bei einer festgestellten Covid-19-Erkrankung muss die nach Landesrecht zuständige Gesundheitsbehörde die notwendigen Schutzmaßnahmen treffen. Dazu gehören die Anordnung einer Quarantäne und das Untersagen beruflicher Tätigkeiten, die mit der Gefahr der Weitverbreitung des Virus verbunden sind.
Was bedeutet eine solche Entscheidung für die Lohnfortzahlungsansprüche des Arbeitnehmers?
Es besteht bei symptomloser Erkrankung kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, denn es liegt ja keine Arbeitsunfähigkeit vor. Nach dem Infektionsschutzgesetz muss das zuständige Land eine Entschädigung zahlen. Diese entspricht in den ersten Wochen der Höhe der Lohnfortzahlung und danach der Höhe des Krankengeldes.
Und wie verhält es sich im Gegensatz dazu, wenn der Arbeitnehmer nicht symptomlos an Covid-19 erkrankt ist, sondern aufgrund der Erkrankung tatsächlich an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert und somit arbeitsunfähig ist?
In diesem Fall befindet sich das Unternehmen in der Pflicht, Lohnfortzahlung in den ersten sechs Wochen leisten zu müssen. Bei Arbeitsunfähigkeit infolge von Covid-19 besteht jedoch die Besonderheit, dass die Allgemeinheit von der Gesundheitsbehörde vor einer Infektionsgefahr zu schützen ist. Deshalb ist, sobald die Gefahr erkannt wird, ein Beschäftigungsverbot zu verhängen. Nach § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz soll dann der Verdienstausfall vom jeweiligen Bundesland als Träger der Gesundheitsbehörde ausgeglichen werden.
Dann zahlt der Staat Entschädigung? Und der Arbeitgeber braucht keine Lohnfortzahlung zu leisten?
Das ist eine offene Rechtsfrage. Es existiert insoweit keine Rechtsprechung. Die in NRW für die Entschädigung zuständigen Landschaftsverbände lehnen eine Entschädigung ab. Sie meinen, die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers sei vorrangig. Dafür sprechen ältere Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zu mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverboten. In der Rechtswissenschaft wird demgegenüber das infektionsschutzrechtliche Beschäftigungsverbot als vorrangiger Hinderungsgrund angesehen. Nimmt man die Ankündigungen ernst, die von der Coronakrise bedrohten Unternehmen zu entlasten, muss schnell eine Klärung erfolgen. In manchen Branchen ist die Arbeitsunfähigkeitsquote bereits auf 35 Prozent gestiegen. Eine Regelung drängt sich auch aus praktischen Gründen auf; denn bei dieser Pandemie ist es kaum möglich, in jedem Einzelfall ein Beschäftigungsverbot anzuordnen. (MS)