Zeitarbeitszukunft aktiv gestalten
Zeitarbeit verkörpert in sich Zukunftselemente von Arbeit, deshalb wird die Diskussion um die Zeitarbeit, bei einem vergleichsweise geringen Anteil von ca. 2 Prozent an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, so leidenschaftlich und emotional geführt.
Es geht darum diese Zukunft aktiv zu gestalten statt immer wieder mit Pauschalverurteilungen der Branche eben auch Zeitarbeitnehmer unsachgemäß abzuwerten und zu diskreditieren. Zeitarbeit ist Arbeit mit Zukunft. Um sie zum gegenseitigen Vorteil sowohl der Kernbelegschaften als auch der externen Flexibilitätsmannschaften zu entwickeln, bedarf es gemeinsamer Anstrengungen der Akteure am Markt.
Reduzierte Diskussion
Die Reduzierung der Diskussion auf Entlohnungsfragen - billig oder equal pay - wird der Sachlage nicht gerecht. Die Kompetenzentwicklung für Zeitarbeitskräfte ist eine strategische Herausforderung für die Wirtschaft und die arbeitenden Menschen, die mit Sachverstand, Geduld und dem Willen zur Zukunftsgestaltung geführt werden muss.
Welche Faktoren erschweren Qualifizierung in der Zeitarbeit?
Zeitarbeit ist ein filigranes Arbeitssystem, in dem zwischen den drei Hauptakteuren - den aufnehmenden Betrieben, den überbetrieblichen Mitarbeitern/innen und den Personaldienstleistern - fachliche, betriebswirtschaftliche und soziale Belange zur Zufriedenheit aller Beteiligten abgestimmt bzw. in Übereinstimmung gebracht werden müssen. Bei Fortbildung und Qualifizierung kommt mit der Bildungsfirma ein weiterer Akteur mit den ihm eigenen Strukturen hinzu - feste Mindestgruppenbildung und vorgegebene Zeiträume, begrenzte Verfügbarkeit des je benötigten Lehrpersonals sowie räumliche Festlegung (Erreichbarkeitsproblematik).
Flexible Bildungsangebote
Die Zeitarbeit benötigt flexible Bildungsangebote, die sich vor und während der Einsatzzeiten sowie in einsatzfreie Zeiten oder berufsbegleitend einpassen lassen. Vor dem Hintergrund der kleinteiligen Struktur der Branche handelt es sich häufig um individuelle Fortbildungsbedarfe und damit ergeben sich keine relevanten Gruppengrößen für den jeweiligen fachlichen Bedarf. Außerdem ist zu bedenken, dass nicht alle Mitarbeiter sich fortbilden wollen. Viele sind vielmehr froh, endlich Arbeit gefunden zu haben. Sie sind zufrieden mit dem Lernen im Tun und den wechselnden Anforderungen durch unterschiedliche Einsätze. Kundenbetriebe nutzen Zeitarbeit zur Lösung aktueller Arbeitsprobleme, insofern sind sie nicht auf die strategische Qualifizierung von Mitarbeitern eingestellt.
Widersprüchliche Forderungen
Widersprüchlich sind auch gewerkschaftliche Forderungen, Zeitarbeit auf Kurzfrist- oder Ad-hoc-einsätze zu reduzieren und gleichzeitig Qualitätsstandards eines Langfristarbeitgebers einzufordern.
Wie bewerten Sie die bisherigen Aktivitäten in der Branche?
Die Branche tut mehr als vordergründig wahrgenommen wird. Eine aktuelle Umfrage des iGZ unter Mitgliedsunternehmen hat ergeben, dass ca. dreiviertel der Unternehmen Weiterbildungsmaßnahmen für das überbetriebliche Personal angeboten haben. Davon handelt es sich überwiegend um klassische Qualifizierungsangebote - Staplerscheine, Schweißkurse, EDV- oder Fremdsprachenkurse. Darüber hinaus werden aber noch von 20 % der Befragten individuell aufgefächert weitergehende Fortbildungsangebote angegeben. Es gibt außerdem ein großes Interesse der Firmen an Instrumenten der individuellen Kompetenzerfassung für die überbetrieblichen Mitarbeiter.
Kompetenzpass
Ca. 30 % sprechen sich für einen Kompetenzpass zur Dokumentation von sozialen und praktisch erworbenen Fertigkeiten aus. Weitere fast 50 % stehen diesem Modell offen gegenüber. Der iGZ und die DGB Tarifgemeinschaft haben sich schließlich gemeinsam verpflichtet, in 2011 Gespräche zur Entwicklung von Weiterbildungsvereinbarungen aufzunehmen. Der iGZ ist damit einmal mehr als mitgliederstärkster Arbeitgeberverband auf die Sozialpartner zugegangen, um gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels innovative Lösungen zu entwickeln.
Wie sollte Qualifizierung in der Zeitarbeit gestaltet werden?
Fortbildung und Qualifizierung in der Zeitarbeit muss vielgestaltig angelegt sein. Es geht dabei um die Weiterentwicklung grundlegend fachlicher Angebote. Die Angebote sollten flexibel und modular aufgebaut sein. Es muss der Frage nachgegangen werden: gibt es zeitarbeitsspezifische Bildungsbedarfe? Gibt es so etwas wie einen besonderen Bedarf für den Umgang mit und in wechselnden Teams? Sind besondere kommunikative Fähigkeiten zur schnellen Eingewöhnung in neuen Arbeitsumgebungen erforderlich? Kann man dem Einzelnen Instrumente oder Verhaltensanregungen vermitteln, um mental besser mit Wechselsituationen umgehen zu können?
Austausch
Über diese und weitere Fragen ist der fachliche und organisatorische Austausch mit Bildungsfirmen erforderlich. Einerseits müssen sie sich auf neue flexible Erfordernisse einstellen andererseits muss die Branche sich darauf einstellen, dass betriebswirtschaftlich vertretbare Bildungsgruppen ermöglicht werden. Im Kern sollten sich alle Akteure - Kundenbetriebe, Zeitarbeitsbranche, Gewerkschaften und Bildungsbranche - auf einen offenen Austauschprozess einlassen, um wirklich neue Ansätze von Fortbildung und Qualifizierung zu entwickeln. Die Zeitarbeitsbranche braucht innovative Ansätze und sie sind nicht aus dem vorhandenen Standardangebot zu entnehmen. Je offener und vielschichtiger der Austauschprozess angelegt ist, desto zukunftsorientierter werden die Ergebnisse sein.
Wer sollte die Kosten dafür tragen?
Weiterbildung und lebenslanges Lernen zur Förderung der funktionalen Flexibilität sowie der "employability" oder Beschäftigungsfähigkeit kann unterschiedlich geregelt werden. "Die Einführung kann durch Gesetz und/oder Kollektivvertrag geschehen, d.h. durch den Gesetzgeber oder durch die Tarifvertragsparteien. (...) In der Diskussion sind Bildungssparen, Bildungschecks, Lernzeitkonten, Fondsmodelle oder öffentliche Förderungen durch die Bundesagentur für Arbeit." (Berndt Keller, Hartmut Seifert, 04/2008, Expertise für die Friedrich Ebertstiftung, Bonn, S. 27) Als Unternehmer, der aktiv im Dialog mit den Gewerkschaften steht und an der Gestaltung des iGZ/ DGB Tarifs mitgewirkt hat, würde ich immer eine Lösung durch die Tarifparteien befürworten.
Dreiseitig
Denkbar sind bei der Regelung darüber hinaus dreiseitige Kostenbeteiligungen durch Entleiher, Verleiher und Mitarbeiter. Wichtig ist, dass ein gemeinsames Verständnis der Verhandlungspartner entsprechend der besonderen Bedingungen der Zeitarbeitsbranche entwickelt wird und in die Überlegungen einfließt. Der Diskussionsprozess zu Fragen der Weiterbildung in der Zeitarbeitsbranche ist insgesamt in den Anfängen. Es wäre verfrüht und anmaßend schon jetzt die Lösung präsentieren zu wollen. Vorstellbar und sinnvoll könnte vielleicht sein, verschiedene Ansätze miteinander zu kombinieren. Damit ließen sich möglicherweise je spezifische Schwachstellen eines einzigen Ansatzes vermeiden. Aber - wie gesagt - wir stehen am Anfang eines spannenden Austauschprozesses. Alle Seiten müssen offen in die Gespräche gehen, sonst wird es keine erfolgversprechenden Lösungen geben.