Zeitarbeitsspielräume bei Koalitionsverhandlungen

Langsam aber sicher geht der Bundestagswahlkampf in die heiße Phase. Dabei stellt sich auch die Frage nach der Positionierung der Parteien zur Zeitarbeitsbrance - „Persone Solutions“ griff das Thema jetzt im „Zeitarbeitscoach Podcast“ auf, um die Sicht des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) darauf zu hinterfragen. iGZ-Hauptgeschäftsführer Werner Stolz unterhielt sich mit Daniel Müller (Liebe Zeitarbeit), Kristina Pauncheva (arbeitsblog für personaldienstleister) sowie Patrick Greiner vom Zeitarbeitscoach Podcast und brachte Licht ins Zeitarbeitsdunkel.

Im aktuellen Wahlkampf, so Stolz, lasse sich feststellen, dass die heiße Phase immer kürzer werde. Früher habe es wesentlich längere Diskussionsphasen gegeben, und das habe sich beim Wechsel von der analogen in die digitale Welt sehr geändert. Banale Dinge gerieten dabei oft in den Vordergrund: „Alle regen sich über ein Lachen im Hintergrund eines öffentlichen Auftritts auf, anstatt wirklich wichtige Themen zu diskutieren“, sagte er im Podcast.

Starke Personenorientierung

16 Jahre Angela Merkel mit großen Krisen habe Gefühl in der Gesellschaft erzeugt, dass sie alle Hürden mit einer gewissen Souveränität gemeistert habe. Stolz: „Das Gefühl ist jetzt erstmal weg, und alles sortiert sich neu, weil sie nicht mehr antritt.“ Laut Forsa-Umfrage liege die SPD aktuell vor der CDU – auch das sei ein Signal, dass es eine sehr starke Personenorientierung gebe.

Wechselspiele

„Es ist auch damit zu rechnen, dass mit diesem Blick auf politischen Persönlichkeiten taktisch gewählt wird. Man wird auf jeden Fall einen Wechsel in der Koalition haben. Es werden Dreier-Optionen notwendig sein. Das macht das politische Geschäft nicht einfacher“, fasste der iGZ-Hauptgeschäftsführer seine Erwartungen zusammen. Wahlkampf sei zudem gute Gelegenheit mit den Parteivertretern vor Ort ins Gespräch zu kommen, verwies er auf die Möglichkeiten, die Zeitarbeit schon vor der eigenen Haustür ins richtige Licht zu rücken.

Positionen gehalten

Bei den Themen – AÜG-Reform, Überlassungshöchstdauer, sektorale Verbote, Schriftformerfordernis, Beschäftigung Drittstaatler, Kurzarbeitergeld, Tarif vor Gesetz – seien die Parteien in ihren bisherigen Positionierungen verharrt. Zentral sei nach der Wahl die Frage, ob da für die Zeitarbeit Spielraum in den Koalitionsverhandlungen existiere. Wichtig sei, was zwischen den Zeilen stehe. Oftmals, so Stolz, dringe von laufenden Verhandlungen nichts in die Öffentlichkleit. „Vieles läuft im vertraulichen Gespräch hinter den Kulissen“, verriet der Experte. Verhandlungen seien häufig sehr sensibel – umso erfreulicher sei es dann, ein Ergebnis zu haben, wenn sich die Erfolge einstellen und Resultat für beide Seiten zufriedenstellend sei.

Sektorale Verbote

Einigkeit herrsche vorab etwa bei den großen Parteien über ein striktes Nein zur Öffnung des Bauhauptgewerbes für die Zeitarbeit, annte er ein Beispiel. Die Rahmenbedingungen, erinnerte Stolz, seien heute jedoch ganz anders als beim gesetzlichen Verbot der Zeitarbeit vor fast 50 Jahren. Ein  sektorales Verbot sei heutzutage völlig widersinnig. „Das Fleischverbot wurde mit gabz heißer Nadel gestrickt. Ich bin mir sicher, das wird kippen“, betonte Stolz miot Blick auf die Verfassungsbeschwerde mehrerer Zeitarbeitsunternehmen gegen das gesetzliche Verbot.

Branchenmodell

Zeitarbeit müsse eine Wirtschaftsbranche wie alle anderen auch und Sozialpartnerschaft dürfe kein Fremdwort sein. „Wir sind sehr gut in der Lage, den Leuten eine Chance zur Vermittlung auf den Arbeitsmarkt zu bieten. Das deutsche Modell ist ein eigenständiges Branchenmodell“, erläuterte der iGZ-Hauptgeschäftsführer die Charakteristik der Zeitarbeit. Sozialpartner haben sich, so Stolz, über die Tarifverträge längst mit der Zeitarbeit arrangiert. Er sei optimistisch, am Ende in günstiges Fahrwasser zu kommen:

Falsch berechnete Lohnunterschiede

Die viel zitierten Lohnunterschiede seien mitverantwortlich für das schlechte Image der Branche. „Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen“, erklärte Stolz in Richtung Bundesagentur für Arbeit. Die jüngst veröffentlichte RWI-Studie spiegele erstmals ein realistische Bild wider, nach dem mitnichten eine Differenz von 46 Prozent existiere. In diesem Zusammenhang verwies er auf Wirtschaftsbranchen, in denen das Lohngefüge niedriger liege als in der Zeitarbeit. „Zeitarbeit muss selbst entscheiden können, wo sie hinwill und wie sie noch besser werden kann“, fasste er die Vision für die Branche zusammen. (WLI)

01.06.2022

Zeitarbeit im Bundestagswahlkampf