Zeitarbeitsbranche muss sich Herausforderungen stellen
„Uns war es ein Anliegen, dass die Branche sich wieder persönlich austauschen kann. Das Forum soll ein Signal sein, ein Restart“, betonte Gastgeber Edgar Schröder in seiner Eröffnungsrede anlässlich des mittlerweile 14. ES-Unternehmerforums in Fulda. Moderator Sven Astheimer, Wirtschaftsredakteur der FAZ, ergänzte, es gebe gewisse Vorteile der Präsenz wie etwa die Kreativität – diese könne man digital nicht ersetzen.
Wie sich das in der Praxis äußert, demonstrierte der iGZ-Bundesvorsitzende Christian Baumann in seinem Vortrag: Er stellte mit Blick auf die AÜG-Novellierung und das Verbot der Zeitarbeit in der Fleischindustrie fest: „All das haben wir bekommen, obwohl wir es 2017 nicht gewählt haben.“ Baumanns Schwerpunkt unter dem Titel "Politischer Unverstand vs. innovative Personaldienstleistung" waren die Wahlkampfprogramme der politischen Parteien. In einer Übersicht stellte er die vom iGZ bei den Parteien abgefragten Wahlprüfsteine vor.
RWI-Studie vorgestellt
Abschließend ging der iGZ-Bundesvorsitzende auf die Ergebnisse der RWI-Studie zur Lohnlücke in der Zeitarbeit ein. Die von der Bundesagentur für Arbeit publizierte Lohndifferenz von 43 Prozent sei demnach vollkommen unhaltbar. Das Institut untersuchte die Löhne auf Basis statistische Zwillinge und kam damit zu realistischen Ergebnissen. Nicht zuletzt auch mit Blick auf die Coronakrise unterstrich er schließlich vor dem Plenum des ES-Unternehmerforums sein Fazit: „Wir müssen lernen, in einer Welt mit vielen Unsicherheiten zu leben.“
Strukturwandel
In diesem Zusammenhang erinnerte er an den Strukturwandel, der bereits 2018/´19 seinen Anfang genommen habe und zu einem Konjunkturknick führte, von dem vor allem auch die Zeitarbeitsbranche betroffen war. Mit der voranschreitenden Digitalisierung und der Einführung neuer Technologien besonders in der Fahrzeugindustrie ändere sich auch das Anforderungsprofil für Arbeitskräfte.
Offene Urteile
Die Themen des Forums waren mindestens ebenso vielschichtig wie die Zeitarbeitsbranche selbst – gesprochen wurde unter anderem über die anstehende Bundestagswahl 2021, die vakante Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum gesetzlichen Verbot in der Fleischindustrie sowie des Europäischen Gerichtshofes zum Gesamtschutz der Zeitarbeitnehmer: „Der EuGH neigt erfahrungsgemäß zu einer schöpferisch-kreativen Auslegung der Richtlinien. Ich wage nicht zu prognostizieren, was am Ende dabei herauskommt“, unterstrich Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Thüsing in seinem Beitrag.
Optimistisch
Zum gesetzlichen Verbot der Zeitarbeit in der Fleischindustrie und des dazu ausstehenden Urteilsspruchs demonstrierte Thüsing Optimismus: „Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht, dass es eine Grundlage für Diskussionen sieht.“ Seiner Ansicht nach werde es keine weiteren sektoralen Verbote der Zeitarbeit in weiteren Branchen geben: „Regulierungen werden mit Sicherheit in Zukunft ein Thema sein, aber grundsätzliche Verbote – das glaube ich nicht.“ (WLI)