Zeitarbeit prädestiniert für digitale Arbeitswelt
Mit der digitalen Revolution steht die Menschheit – wieder einmal – an der Schwelle zu tiefgreifenden gesellschaftlichen Umbrüchen: „Arbeitswelt der Zukunft – flexibel und mobil“ lautete das Thema einer Veranstaltung, die der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) erstmalig gemeinsam mit der Friedrich-Naumann-Stiftung in Berlin anbot.
Anne Wellingerhof, Leiterin des Regionalbüros Berlin-Brandenburg der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, begrüßte die Teilnehmer, darunter mehrere Bundestagsabgeordnete und Vertreter der Regierung, zu dieser Premiere und verwies in ihrer Rede auf die vielen Unwägbarkeiten der neuen Arbeitswelt. Fraglich sei etwa die Nachhaltigkeit der neuen Trends wie die Gestaltung flexibler Arbeitszeiten und der Wahl des Arbeitsortes. Spannend sei zudem auch die Kombination von Flexibilität und sozialen Rahmenbedingungen.
Riesige Datenmengen
Auf die komplette Veränderung von Informationsflüssen nicht zuletzt wegen des Internets verwies Sandra Bierod-Bähre, Präsidiumsmitglied des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen e.V., in ihrem Impuls zum Thema „Die Arbeitswelt der Zukunft - flexibel und mobil?“. Es finde mittlerweile ein ganz anderer Lebensalltag statt, „da jedermann weltweit jederzeit riesige Datenmengen zur Verfügung stehen.“
Berichtslinien
Das habe Auswirkungen auf die Arbeit – Führungskräfte seien mit vollkommen neuen Herausforderungen konfrontiert, weil Teams nun standortübergreifend und virtuell strukturiert seien. „Die Berichtslinien werden zunehmend volatiler“, erläuterte sie die Folgen. Auch die Erwartungen der Mitarbeiter seien gestiegen. „Die Gestaltung der Arbeit entwickelt sich genau wie die Erwartungshaltung immer individueller“, unterstrich Bierod-Bähre. Dazu gehöre auch der Wunsch nach mehr Mobilität der Arbeitsplätze. „Die einzige Sicherheit, die wir haben, ist: Es wird eine Veränderung geben. Wir sollten sie auf jeden Fall realistisch und im gemeinsamen Dialog gestalten“, appellierte sie an das Plenum.
Einigkeit
Wohin die digitale Reise gehen könnte, diskutierten anschließend Sandra Bierod-Bähre, Beate Müller-Gemmeke (MdB), Arbeits- und Sozialpolitikerin Bündnis 90/Die Grünen, und MdB Pascal Kober (FDP), Beisitzer im FDP-Bundesvorstand. Moderiert wurde die Runde von der Fernsehjournalistin Anke Plättner. Müller-Gemmeke und Kober demonstrierten weitgehende Einigkeit bei der Frage nach der Digitalisierung der Arbeitswelt.
Größere Sprünge
Kober unterstrich allerdings die unterschiedlichen Auffassungen beispielweise bei der Gestaltung der Arbeitszeitregelung. „Ich glaube aber, im Bereich Bildung hätten wir zusammen mit den Grünen größere Sprünge gemacht als mit der CDU“, merkte der FDP-Politiker im Schatten der gescheiterten Jamaika-Verhandlungen an.
Ethik der Algorithmen
Beate Müller-Gemmeke unterstrich, die Digitalisierung berge nicht nur Chancen, sondern auch echte Risiken. Jetzt sei es an der Zeit, sich mit der Ethik der Algorithmen, zum Beispiel mit Blick aufs Thema Transparenz der Daten, auseinanderzusetzen. Bierod-Bähre erklärte in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit einer stärkeren Individualisierung des Arbeitsrechts. Es sei zu erwarten, dass künftig auch klassische Berufe wie etwa das Bäckerhandwerk eine digitale Komponente haben. „Nun gilt es, die Erwartung der Mitarbeiter zu einem sinnvollen Ganzen zu bündeln.“ Die Gesetzeslage müsse dann eben auch in der Realität abbildbar sein.
Arbeitszufriedenheit
Kober erinnerte daran, angesichts der Entgrenzung von Arbeit nicht die Arbeitszufriedenheit aus den Augen zu verlieren. Hier sah Müller-Gemmeke auch die Politik in der Pflicht: „Es liegt in unserer Verantwortung, die Beschäftigten zu schützen.“ Vor allem sei der Interessenausgleich zwischen Mitbestimmung und Rahmenbedingungen der Arbeitgeber wichtig. Ziel der Grünen sei es unter anderem, die Freiräume der Beschäftigten zu stärken.
Herausforderungen
„Flexibilität ist gefragt“, stellte der iGZ-Bundesvorsitzende Christian Baumann in seinem Schlusswort zusammenfassend fest. Baumann betonte, die Zeitarbeit sei geradezu prädestiniert für die Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt, denn in dieser Branche werde besonders die Flexibilität täglich praktiziert. Gleichzeitig warnte der iGZ-Bundesvorsitzende jedoch, den Aspekt der Flexibilität zu überschätzen: „Wir haben vollkommen unterschiedliche Ansprüche zwischen den Generationen“, zeichnete er die Alterspyramide der Beschäftigten nach. Es gebe eben auch Arbeitnehmer, die die Folgen der Digitalisierung nicht wollen.
Umsetzbarkeit
Es gelte, die Ansprüche wirtschaftlicher Produktion mit den persönlichen Ansprüchen der Arbeitnehmer zu vereinbaren. „Flexibilität ist eben auch eine Frage der gesellschaftlichen Umsetzbarkeit“, erläuterte Baumann angesichts des status quo der Wirtschaft. (Beitrag Friedrich-Naumann-Stiftung) (WLI)
Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit ist eine parteinahe Stiftung der FDP auf Bundesebene mit Sitz in Potsdam-Babelsberg. Sie ist nach dem liberalen Politiker Friedrich Naumann (1860–1919) benannt. Die Stiftung ist Mitglied im Netzwerk Europäische Bewegung Deutschland. Seit 2007 ist der Zusatz „für die Freiheit“ Bestandteil des Stiftungsnamens, die Stiftung versteht das als Ausdruck ihrer liberalen Werteorientierung.