„Zeitarbeit nicht wieder überregulieren!“

Noch ist unsicher, ob und in welcher Form die Große Koalition die geplanten Einschränkungen der Zeitarbeit umsetzen wird. iGZ-Hauptgeschäftsführer Werner Stolz erläutert im Interview, welche Folgen eine Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten sowie Equal Pay nach neun Monaten für die Branche haben könnte.

Herr Stolz, die geplante Höchstüberlassungsdauer für Zeitarbeitskräfte spaltet das Lager der Kritiker. Auf der einen Seite wird der Zeitarbeit vorgeworfen, eine „Hire-and-Fire“-Branche zu sein. Auf der anderen Seite heißt es, Zeitarbeit sei zu oft als Dauerbeschäftigung ausgelegt. Wie passt das zusammen?

Stolz: Das ist genau das Problem, Zeitarbeit wird zu stark im schwarzen Licht betrachtet. Fakt ist: Zeitarbeit ist enorm vielfältig und lässt sich nicht über einen Kamm scheren. Einerseits gibt es Einsätze von nur wenigen Tagen, wenn zum Beispiel ein Stammmitarbeiter krankheitsbedingt ausfällt oder es zu einer kurzfristigen Auftragsspitze kommt. Andererseits gibt es sehr langfristige Projekte von mehreren Monaten bis hin zu Jahren, bei denen Unternehmen gerne auf die Expertise von Zeitarbeitskräften zurückgreifen. Auch bei Elternzeitvertretungen oder schweren Krankheitsfällen kann es zu einem längeren Zeitarbeitseinsatz kommen. All das sind sinnvolle Gründe, die eigentlich auch jeder Kritiker nachvollziehen können müsste – wenn man denn bereit ist, die ideologische Brille abzusetzen.

DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell äußerte kürzlich in einem Interview mit der Lüneburger Landeszeitung, eine Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten sei zu lang.

Stolz: Das würde für viele Zeitarbeitseinsätze das vorzeitige Ende des Einsatzes ohne einleuchtenden Sachgrund bedeuten. Im Zuge des iGZ-Mittelstandsbarometers haben wir bei unseren Mitgliedern einmal nachgefragt, wie viele Überlassungen von einer Begrenzung betroffen wären. Und siehe da: Fast jeder vierte Einsatz am Stichtag dauerte bereits länger als 18 Monate, jeder zweite länger als neun Monate. Eine Höchstüberlassungsdauer würde gerade den hochqualifizierten Bereich der Zeitarbeitsbranche hart treffen und Lohneinbußen mit sich bringen, da bei einem neuen Einsatz etwaige Branchezuschläge erst wieder aufgebaut werden müssten.

„Equal Pay nach neun Monaten“ heißt das zweite Regulierungsvorhaben der Großen Koalition. Welche Auswirkungen würde das auf die Branche haben?

Stolz: Was die Wenigsten wissen ist, dass bereits 2012 die ersten Branchenzuschlags-Tarifverträge für die Zeitarbeit in Kraft getreten sind – inzwischen gibt es solche Regelungen für elf Branchen. Das bedeutet, dass der Lohn der Zeitarbeitskräfte über neun Monate in fünf Schritten dem des Stammpersonals angeglichen wird. Die Zeitarbeitskräfte bekommen also nicht erst nach neun Monaten mehr Geld, sondern bereits nach vier oder sechs Wochen. Wir halten tarifliche Lösungen für wesentlich maßgeschneiderter als gesetzliche Normierungen. Soweit es hier noch nicht geregelte Tariflücken gibt, sollten diese die Sozialpartner und nicht der Gesetzgeber schließen. So sieht es auch die EU-Richtlinie zur Zeitarbeit vor.

Trotz der Branchenzuschläge unterstützen die Gewerkschaften aber die politische Forderung nach gesetzlichem Equal Pay.

Stolz: Das ist in der Tat paradox. Kaum ist die Tinte unter den Tarifverträgen trocken, rufen die Gewerkschaften nach neuen gesetzlichen Lösungen, die die selbst geschlossenen Vereinbarungen weitgehend wieder obsolet machen. Tarifautonomie ist ein schützenswertes Gut und der bewährte Weg, die Arbeitsbedingungen in Deutschland fair und marktgerecht zu gestalten. Wie eine Überregulierung aber nach hinten losgehen kann, zeigt die aktuelle Diskussion um (Schein-) Werkverträge. Die Zeitarbeit wurde in den letzten Jahren immer stärker reglementiert. Analog dazu scheint die Zahl der Werkverträge als Umgehungsinstrument anzusteigen. Diese Entwicklungen sind soziale Sackgassen und sollten durch weitere Überregulierungen der Zeitarbeitsbranche wie willkürliche und starre Überlassungshöchstdauern nicht auch noch gefördert werden.