"Zeitarbeit kein Auslaufmodell"

Herr Stolz, der Leiter des IG-Metall-Bezirks Mitte, Armin Schild, wirft Ihrer Branche vor, in ihren Reihen viele schwarze Schafe zu dulden, die sich an den Zuschlägen für Zeitarbeiter vorbeimogelten. Was ist dran an dem Vorwurf?

Da ist gar nichts dran. Noch ehe die Zuschläge überhaupt eingeführt waren, hat Herr Schild schon in einem Gespräch mit mir warnend den Zeigefinger erhoben und eine große Missbrauchswelle prognostiziert, weil alles viel zu teuer werde. Schon damals habe ich darauf hingewiesen, dass alleine die Tatsache, dass wir als Verband monatelang Sonderseminare zur Einführung der Zuschläge veranstaltet haben, an denen mehr als 3500 Vertreter von Zeitarbeitsfirmen teilnahmen, zeigt, dass die Branche ganz seriös an das Thema herangegangen ist. Die Kritik der IG Metall halte ich deshalb für den durchsichtigen Versuch, auf diese Art Mitgliederwerbung zu betreiben.

Dennoch dürfte es immer wieder Fälle geben, in denen Beschäftigte sich nicht tarifgerecht behandelt oder bezahlt fühlen. Was können die tun?

Parallel zur Einführung der Zuschläge haben wir eine Schlichtungsstelle eingerichtet, in der unabhängige Experten sitzen und Beschwerden von Zeitarbeitskräften entgegennehmen. Dieses Angebot ist kostenlos. Es zeigt sich, dass die Anzahl der Beschwerden nach Einführung der Zuschläge zwar leicht gewachsen ist auf etwa 20 bis 40 Anfragen im Monat. Das ist aber kein exorbitanter Anstieg.

Die Einigung auf die Zuschläge erfolgte auch unter dem Druck der Politik. Andernfalls wollte die Bundesregierung von sich aus gesetzgeberisch aktiv werden. Werden, im Nachhinein gesehen, Betriebe durch die Zuschläge überfordert?

Das ist ja alles noch relativ frisch, man muss sehen, wie sich das auf dem Markt einpendelt. Die Mitgliedsunternehmen sagen uns, dass es sich einerseits um eine große administrative Herausforderung handele. Andererseits zeigen die Kundenbetriebe viel Verständnis dafür, dass die Tarifverträge weiter entwickelt wurden.

Laut Ihrem Mittelstandsbarometer halten 58 Prozent der Betriebe die Umsetzung der Zuschläge für kompliziert. Wo hakt es da?

Die Umsetzung ist tatsächlich nicht immer ganz einfach. Da taucht etwa die Frage der Zuordnung einzelner Unternehmen zu bestimmten Branchen auf. Und wenn Kundenbetriebe nicht den Tarifverträgen ihrer Branche unterliegen, muss der Vergleichslohn ermittelt werden, was schwierig sein kann. Durch die Zuschläge ist der Aufwand jedenfalls wesentlich größer geworden als zuvor, als wir nur unseren eigenen Tarifvertrag hatten, ohne Bezug auf die Entgeltniveaus der Kundenbetriebe nehmen zu müssen.

Das Thema Zuschläge ist nur eine Baustelle für Ihre Branche. Durch die schwächere Konjunktur hat der Zuwachs in der Zeitarbeit nachgelassen, neue Urteile beschränken die Einsatzdauer von Zeitarbeitern. Ist die Boomphase der Zeitarbeit vorbei?

In den vergangenen Jahren ist der Anteil der Zeitarbeit an der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung hierzulande von 1 auf 2,8 Prozent gestiegen. Damit liegen wir jetzt im EU-Mittel. Aber es gab zwischenzeitlich immer wieder Schwankungen, etwa den Einbruch in der Krise, der aber fast vollständig wieder aufgefangen werden konnte. Wir hatten 2011 in der Spitze über 900.000 Zeitarbeitskräfte, jetzt liegen wir bei 830.000 bis 840.000. Ich rechne damit, dass sich das in dieser Größenordnung konsolidieren wird. Zurzeit ist das Umfeld etwas rauer geworden, auch jenseits der Branchenzuschläge. So gibt es in einzelnen Branchen konjunkturelle Unsicherheiten. Die machen sich in der Zeitarbeit immer sehr schnell bemerkbar. Aber die Zeitarbeit ist keineswegs ein Auslaufmodell.

Die Gewerkschaften warnen davor, dass Unternehmen statt auf die Zeitarbeit vermehrt auf Werkverträge setzen, auch die Kanzlerin will das Thema im Auge behalten. Sehen Sie Anzeichen für einen solchen Trend?

Größere seriöse Untersuchungen dazu gibt es bisher nicht. Eins ist aber klar: Die Überlassungserlaubnis in der Zeitarbeit deckt weder Schein-Werkverträge noch Schein-Zeitarbeit. Ich hoffe, dass hier das Bundesarbeitsgericht noch zur Klärung beiträgt. Potemkinsche Zeitarbeitsfirmen haben jedenfalls auf dem Markt keine Chance mehr. Auch wir sind an klaren Rahmenbedingungen interessiert. Unsere Mitglieder haben sich - freiwillig und verbindlich - dazu verpflichtet, auch beim Einsatz von Werkverträgen den iGZ-DGB-Tariflohn zu bezahlen.

Sind die Rahmenbedingungen denn so, dass Sie damit leben können?

An der einen oder anderen Stelle sollte der Gesetzgeber noch nachjustieren. So können beispielsweise nach wie vor im Bauhauptgewerbe keine Zeitarbeiter eingesetzt werden, das ist europaweit einmalig. Oder nichteuropäische Ausländer, die in der Zeitarbeit tätig werden wollen, erhalten keine Arbeitserlaubnis. Das ist eigentlich ein klarer Verstoß gegen die EU-Zeitarbeitsrichtlinie. Im Übrigen halte ich schon den Begriff ”Leiharbeit” für diskriminierend. (Rheinpfalz, 17.01.´13)