Zeitarbeit geeignetes Modell zur Arbeitsmarktintegration
„Wir liefern ein breiteres Portfolio ohne langsamer zu werden" – Florian Swyter, Hauptgeschäftsführer des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP), gab den Teilnehmern des elften Potsdamer Rechtsforums zur Begrüßung am zweiten Tag der Veranstaltung einen Überblick zur Verbandsgründung des Gesamtverbandes der Personaldienstleister (GVP). Der neue Verband geht hervor aus der Verschmelzung des BAP und dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ).
Ukrainer in (Zeit-)Arbeit bringen
Das Projekt Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland – Integration in den Arbeitsmarkt stellte Petra Füller, Leiterin der Koordinierenden Stelle Zeitarbeit (KSZ) bei der Bundesagentur für Arbeit (BA), vor. Die BA erkenne das große Potenzial der Zeitarbeitsbranche, geflüchtete Menschen integrativ und gleichzeitig zügig in Arbeit zu bringen. In Kombination mit Berufssprachkursen sehe sie darin ein geeignetes Modell der Arbeitsmarktintegration, das auch zukunftsfähig bleibe. Swyter bedankte sich für das Vertrauen der BA, kritisierte allerdings, dass nun die Personaldienstleistungsbranche herhalten müsse, wobei der Branche gleichzeitig die Anstellung und Integration von Drittstaatsangehörigen verwehrt werde.
Potenziale der Zeitarbeit
Silke Becker, Rechtsanwältin und Unternehmensjuristin, referierte über die Feinheiten in der Unterscheidung verschiedener Formen der Personaldienstleistung und deren Potenziale. Auf einer Skala von klassischer Zeitarbeit bis zu fachspezifischen Leistungen benannte Becker alles dazwischen als „erweiterte Personaldienstleistungen“. Dazu zählte sie die Vertragsformen „Contracting“ und „Services“. Diese bezögen sich beide laut Becker auf eine selbstständig erbrachte Leistung, die keine Integration in die Betriebsorganisation des Kundenunternehmens erforderten. Der Unterschied: Contracting-Verträge beschäftigten nur eine Fachkraft, von Services spreche man bei Verträgen, die mehrere Personen einbeziehen.
Inflationsausgleich richtig berechnen
Eric Odenkirchen, iGZ-Fachbereichsleiter Arbeits- und Tarifrecht, behandelte in seinem Workshop die Inflationsausgleichsprämie (IAP). Er machte deutlich, dass die IAP an die Branchenzuschlagstarifverträge gekoppelt sei. Nur in diesen Geltungsbereichen könne eine IAP gezahlt werden. Die Höhe der IAP betrage maximal 2.300 Euro, die gestaffelt ausgezahlt werden müsse. Die Staffelung gebe vor, dass im Januar 2024 einmalig 300 Euro, danach monatlich 200 Euro zu zahlen sind. Maßgeblich für die Höhe der Prämie sei die IAP eines vergleichbaren Stammmitarbeiters im Einsatzbetrieb, erläuterte Odenkirchen. Bei der Berechnung müsse der Zeitraum vom Dezember 2022 bis Dezember 2024 berücksichtigt werden.
Künstliche Intelligenz rechtssicher?
In seinem Impulsvortrag „Künstliche Intelligenz im Arbeitsverhältnis“ stellte Dr. Phillipp Byers, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Wirtschaftskanzlei Dentons, die Frage: „Ist Künstliche Intelligenz Fluch, Segen, oder beides zugleich?“ Die Unsicherheiten im Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) ließen derzeit noch viel Spielraum in der rechtlichen Beurteilung, bewertete Byers die aktuelle Situation. Vor allem die Haftungsfrage müsse jedoch noch klar definiert werden. Schon die grundlegenden Funktionsweise von KI, die auf der Nutzung großer Datenmengen basiert, widerspreche der Datenschutzgrundverordnung. Im Unternehmensumfeld sei die Nutzung von Arbeitnehmerdaten besonders sensibel zu behandeln. Der KI zur Verfügung gestellte Daten seien nach diesem Maßstab so gering wie möglich zu halten, was der hilfreichen Nutzung von KI entgegenstehe, kritisierte Byers. Die Einwilligung der Arbeitnehmer oder Bewerber zur Verarbeitung ihrer Daten reiche in diesem Kontext nicht aus, erklärte er, weil sie nicht als freiwillig bewertet werden könne. Ein Bewerber scheide schließlich bei Verweigerung von dem Prozess aus. Die Abnahme von Entscheidungen sollte letztendlich immer von Menschen vorgenommen werden, riet der Experte. Einer KI lediglich die Kriterien vorzugeben, bewertete der Referent in diesem Sinne als nicht zureichend. Byers legte es allen Unternehmen, die KI bereits umfangreich nutzen, nahe, die Gesetzgebung zu KI im Auge zu behalten.
Hinweisgeberschutz – Last oder Frühwarnsystem?
Werner Stolz, Vertrauensanwalt und Ombudsmann der Hinweisgeberstellen, referierte über das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) und die Einrichtung der dafür notwendigen Meldestellen. Jedes Unternehmen mit 250 oder mehr Mitarbeitern habe eine solche Meldestelle bereits jetzt einzurichten. Für Unternehmen zwischen 50 bis 249 Mitarbeitern trete diese Verpflichtung am 17.12.2023 in Kraft, berichtete Stolz. Betriebe mit in der Regel weniger als 50 Beschäftigten seien nicht zur Errichtung interner Meldestellen verpflichtet. Der ehemalige iGZ-Hauptgeschäftsführer empfahl die Nutzung eines digitalen Systems zur Bearbeitung der Beschwerden. Das habe zusätzlich den Vorteil der erforderlichen Neutralität. Außerdem falle es den Hinweisgebern leichter, über ein solches Portal ihre Anonymität zu wahren, erklärte der Referent. Er sprach sich für die Auffassung der Hinweisgeberstellen als Frühwarnsystem aus, weil jedes Unternehmen dadurch interne Angelegenheiten ohne öffentliches Aufsehen klären könne – auch aus Reputationsgründen ein Selbstschutz also.
Gesamtschutz gewährleistet
„Der Zeitarbeitnehmer steht in Deutschland formaljuristisch sehr gut da“, lobte Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Dr. Oliver Bertram. Diese rechtliche Absicherung zahle der Zeitarbeitnehmer durch seinen tarifgebundenen Lohn, wertete Bertram. Die Rechtsprechung, namentlich das Bundesarbeitsgericht (BAG), sei mittlerweile tatsächlich sogar bemüht, die Zeitarbeitsbranche zu schützen und zu erhalten. Zu dieser Einschätzung kam Bertram, nachdem er vor dem Europäischen Gerichtshof und dem Bundesarbeitsgericht erfolgreich das deutsche Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) und die Wirksamkeit der Tarifverträge der Zeitarbeit verteidigte.