Zeitarbeit bietet immer mehr Dienstleistungen

Neben der Arbeitnehmerüberlassung als Kerngeschäft bieten Zeitarbeitsfirmen ihren Kunden weitere Dienstleistungen an, zum Beispiel die Personalvermittlung. Worauf es dabei ankommt, erläutert ein Recruiter, der selbst Erfahrungen in der Personaldienstleistung gesammelt hat.

Was passiert, wenn ein Recruiter ein Stellenangebot im Internet schaltet? Blicken wir einfach Marc Mertens über die Schulter. Im Auftrag seines Arbeitgebers, der Firma Autrado in München, die auf webbasierte Vertriebssysteme für den Autohandel spezialisiert ist, sucht Mertens einen Webdesigner. Kaum ist die Anzeige online, schon klopfen die ersten Dienstleister an, um von ihnen betreute Kandidaten ins Gespräch zu bringen.

Stärke Networking

Mertens stört das nicht. Im Gegenteil: Wie schnell die Personalvermittler, unter ihnen auch Zeitarbeitsfirmen, Initiative ergreifen, findet er beachtlich. „Networking zählt zu ihren Stärken“, sagt er. „Sie wollen schließlich Geld verdienen statt Geld versenken.“ Mertens scheut sich deshalb auch nicht, sich selbst bei Dienstleistern zu rühren. „Ehe ich die Arbeitsagentur anrufe, suche ich lieber das Gespräch mit einem Personalvermittler.“

Datenbanken

Dafür nennt der Recruiter mehrere Gründe. Zwar verfügten Arbeitsagenturen über sehr gut bestückte Datenbanken. Umgekehrt würden Firmen oft Kandidaten vorgeschlagen, deren Profil vom gewünschten Qualifikations- und Erfahrungs-Mix deutlich abweichen. Zeitarbeitsfirmen hingegen, die Personalvermittlung anbieten, würden nicht nur über einen großen Pool an Fachkräften verfügen. Zahlreiche Dienstleister hätten sich zudem auf bestimmte Fachkräfte spezialisiert. „Unter ihnen sind zahlreiche Kandidaten, die sich auch in eine Festanstellung vermitteln lassen wollen.“ Letztlich sei das Recruiting die entscheidende Kernkompetenz der Dienstleister. „Da macht ihnen niemand etwas vor.“

Aufwand identisch

Mertens, der selbst viele Jahre als Projektleiter und Disponent in der Zeitarbeitsbranche tätig war, kennt die Suche nach vermittelbaren Fachkräften aus eigener Anschauung. „Der Aufwand für den Personalvermittler ist komplett identisch, egal ob jemand für die Zeitarbeit oder die Personalvermittlung vorgesehen ist.“ Freilich könne via Personalvermittlung die Bindung zum Kunden gestärkt werden, wenn dieser von der Dienstleistung angetan sei. „Hier erwarten die Unternehmen einfach einen Profi, sowohl beim Dienstleister, als auch beim Kandidaten“, so Mertens.

Wichtige Ressource

Für den Recruiter sind Personalvermittler auch deshalb eine wichtige Ressource, weil die Dienstleister aktiv im Markt auftreten und auch wechselbereite Kandidaten in Unternehmen abwerben würden, die im unmittelbarem Wettbewerb zum Auftraggeber stehen. „Zum Beispiel eine Fachkraft, die jene Steuerungstechnik beherrscht, die dem Konkurrenten fehlt.“ Kandidaten, die über solch gefragte Kompetenzen verfügen, seien sich laut Mertens stets darüber im Klaren, „zu einem Wettbewerber vermittelt werden zu können.“ 

Klartext

Bei der Ansprache von Kandidaten unterscheiden sich Personalvermittler deutlich von Personalberatern. Während der Headhunter laut Mertens diskret agiere und sich oft einer „Story“ bediene, um sich an einen Kandidaten heranzupirschen, „redet der Personalvermittler vom ersten Kontakt an Klartext“. Freilich ruft er nicht in den Firmen an wie der Headhunter beziehungsweise die für ihn tätigen Identer oder Researcher. „Dafür bespielt er aktiv Netzwerke und recherchiert dort geeignete Profile, ehe er sich an die Personen wendet.“ 

Krisenzeiten

Zurück zur Zeitarbeit und ihre Funktion als Personalvermittler. Betriebswirtschaftlich gesehen, betont Mertens, dürften Zeitarbeitsfirmen nicht allein auf Arbeitnehmerüberlassung angewiesen sein. In Krisenzeiten seien schließlich die temporären Kräfte die ersten, die Kundenunternehmen verlassen müssen. „Konjunktur-unabhängig gefragte Fachkräfte hingegen versprechen gute Umsätze und intensivere Kundenbeziehungen“, erläutert Mertens. Personalvermittlung sei daher eine margenträchtige Dienstleistung für Zeitarbeitsfirmen. „Man arbeitet sofort für den Deckungsbeitrag und erzielt gleich Gewinn.“ Der Nachteil: Oft handele es sich um singuläre Projekte. „Der Betriebswirt erwartet lieber regelmäßige Einkünfte.“

Kandidatensuche

Bei der Honorarfindung werden für die Personalvermittlung zwei Modelle favorisiert. Entweder bemisst sich das Honorar für die Dienstleistung prozentual am Bruttojahresgehalt des Kandidaten oder man vereinbart Festverträge, sofern die Kundenbeziehung schön länger anhält und gut funktioniert. Zeitarbeitsfirmen, die ihre Kunden und deren Personalbedarf gut überblicken würden, sagt Mertens, „beginnen mit der Suche nach vermittelbaren Kandidaten schon bevor der konkrete Auftrag zur Personalvermittlung eingeht“.  Den Vorteil, dass Zeitarbeitsfirmen über ein großes Netzwerk verfügen, würde Mertens als Kunde „nicht verschenken“. Hätte sich erst eine tragfähige Kundenbeziehung entwickelt, betont der Recruiter, „suchen die wirklich professionellen Firmen für mich sogar die Nadel im Heuhaufen“. Das müssten nicht unbedingt die Branchengrößen sein. „Kleinere Dienstleister sind oft sogar näher an ihren Kunden dran.“ Ihnen fehle lediglich die Bekanntheit, die große Anbieter ihnen dank entsprechender Marketingbudgets voraus haben.

Saubere Vertragsgestaltung

Um sich für einen Dienstleister zu entscheiden, der sich neben der Zeitarbeit auch für die Personalvermittlung anbietet, empfiehlt Mertens darauf zu achten, dass das zusätzliche Dienstleistungsangebot transparent und auch auf der Homepage des Zeitarbeitsunternehmens klar erkennbar ist. Das setze sich in einer „sauberen“ Vertragsgestaltung fort. Wichtig sei klar zu definieren, wie die Übernahme eines Kandidaten aus der Zeitarbeit („Temp-to-Perm“) und bei der Personalvermittlung geregelt wird.

Ehrliche Rückmeldung

Vorsicht ist nicht nur bei der Vertragsgestaltung geboten. Mertens warnt vor zwielichtigen Akteuren, die mit unhaltbaren Versprechungen auf Kundenfang gehen. „Wer mir zusagt, einen SAP-Fachmann in 24 Stunden aufzutreiben, bedient sich unter Umständen unlauterer Mittel.“ Doch auch nach Beginn einer Geschäftsbeziehung sollte man auf der Hut sein. „Ich erwarte eine ehrliche Rückmeldung, wenn der Personalvermittler niemanden mit dem erwünschten Profil finden kann. Das ist besser als lange herumzudoktern und das Projekt in die Länge zu ziehen. Denn Geld gibt es ohnehin nur im Erfolgsfall.“

Winfried Gertz, freier Journalist, München

„Arbeitnehmerüberlassung wird in Zukunft immer noch ein wesentlicher Bestandteil bei der Organisation von Flexibilität für Unternehmen sein. Weitere Personaldienstleistungen werden sich aber bei einem voraussichtlich steigenden Flexibilitätsbedarf der Wirtschaft daneben etablieren. Welche zusätzlichen Geschäftsfelder auf unsere Unternehmen zukommen, stellen wir in einer Artikelserie dar, die jeweils zum Monatsersten auf www.ig-zeitarbeit.de veröffentlicht werden. Die Artikel erscheinen in Kooperation mit der Zeitschrift „Personalwirtschaft“. Der vorliegende Artikel stammt von Winfried Gertz.“