Zeitarbeit als Sprungbrett
"Es hat immer schon Krisen im Arbeitsmarkt gegeben", sagt der Unternehmer, bei dem rund 2500 Mitarbeiter für gewerbliche, technische und kaufmännische Berufe beschäftigt sind.
Und so schlimm die aktuelle Schwächeperiode auch ist - langfristig werde die Zeitarbeit darunter nicht leiden. Für die Zukunft plant Teilzeit Thiele sogar zusätzliche Geschäftsstellen. Zumal auch Ingrid Hofmann zuversichtlich ist. "Nach Krisen hat die Zeitarbeit immer einen großen Sprung gemacht", sagt die Vizepräsidentin vom Bundesverband Zeitarbeit Personaldienstleistungen (BZA). Tatsächlich gab es nach der letzten Rezession über Jahre hinweg deutlich zweistellige Wachstumsraten, bis zur bisherigen Höchstmarke von 830 000 Zeitarbeitern im Spätsommer 2008. Von diesem Wert ist die Branche derzeit mit bundesweit rund 588 000 Leihkräften zwar noch weit entfernt. Allerdings steigen die Zahlen nun schon seit Mai wieder an. Laut dem sogenannten Zeitarbeitsindex des BZA haben die heimischen Verleihfirmen von Mai bis September gut 71 000 Mitarbeiter neu eingestellt. Das ist ein Plus von fast 14 Prozent. Offizielle Daten für Oktober liegen derzeit noch nicht vor. "Die Tendenz war aber auch dort deutlich positiv", sagt Verbandsmanagerin Hofmann.
Wachstum bewältigen
Einige Unternehmen investieren daher bereits vorsorglich in Strukturen, um das prognostizierte Wachstum zu bewältigen. "Die Unternehmen haben in der Krise gemerkt, dass Flexibilität der Schlüsselfaktor für den Erfolg ist", sagt Vera Calasan, die neue Deutschland-Chefin der Branchengröße Manpower zur Begründung. Das Know-how der Personaldienstleister werde daher nach der Rezession noch höher wertgeschätzt, meint die Managerin. Gestiegen ist die Nachfrage zuletzt vor allem in der Energiebranche, insbesondere in den Bereichen Solar und Windkraft, sowie im Gesundheitswesen.
Medizin und Pflege
Das kommt auch Teilzeit Thiele entgegen. Denn das Unternehmen aus Minden hat sich in den vergangenen Jahren auf die Bereiche Medizin und Pflege spezialisiert. Wolfram Linke hält das für ein wichtiges Erfolgsrezept. "Die Krise hat vor allem die großen Massenanbieter getroffen", sagt der Sprecher des Interessenverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) aus Münster. Kleine, hoch spezialisierte Firmen mit oftmals gerade 50 bis 100 Mitarbeitern dagegen hätten die Schwächephase Ende des vergangenen und zu Beginn dieses Jahres nahezu schadlos überstanden, so Linke weiter.
Großteil in NRW
Ein Großteil dieser Betriebe sitzt und arbeitet dem Verbandssprecher zufolge in Nordrhein-Westfalen, der Hochburg der Zeitarbeitsbranche. Marktexperten sprechen von über 1500 der bundesweit fast 5000 Unternehmen, von denen die meisten nur einem kleinen regionalen Aktionsradius haben. Aufseiten der eingesetzten Arbeiter ist das Kräfteverhältnis ähnlich. Allein ein Viertel aller Leihkräfte in Deutschland arbeitet an Rhein und Ruhr. 2007 setzten sogar zwei von drei Großbetrieben im Land Zeitarbeiter ein. Experten begründen diese Vormachtstellung mit der hohen Zahl an Großkonzernen, den zahlreichen Ballungszentren und dem dichten Firmennetz im Land.
Über dem Bundesdurchschnitt
Kaum verwunderlich also, dass die NRW-Regionen bei der aktuellen Erholung mit Ausnahme von Köln und Umgebung deutlich über dem Bundesschnitt liegen. Während die Beschäftigtenzahlen in der Zeitarbeit laut dem aktuellen BZA-Index deutschlandweit um 2,2 Prozent zugelegt haben, liegt das Sauerland sogar mit 5,1 Prozent im Plus, in der Landeshauptstadt Düsseldorf sind es 4,4 Prozent, im Ruhrgebiet 3,9 und im Münsterland immerhin noch 2,7 Prozent.
Laumann sehr erfreut
Landesarbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) zeigt sich darüber sehr erfreut. Denn laut der Studie "Zeitarbeit in Nordrhein-Westfalen", die sein Ministerium vor einigen Monaten vorgelegt hat, kommen fast zwei Drittel der Zeitarbeiter aus der Arbeitslosigkeit, 20 Prozent sogar aus der Langzeitarbeitslosigkeit. "Zeitarbeit kann also Perspektiven aus der Arbeitslosigkeit heraus bieten", sagt Laumann. Zumal laut Studie rund ein Drittel der Leiharbeitnehmer aus der Zeitarbeit heraus eine neue Beschäftigung im sogenannten ersten Arbeitsmarkt findet.
Vorbehalte
Der Ruf von Zeitarbeit könnte sich nun in den kommenden Monaten verbessern. Wenngleich die Vorbehalte vielfach noch immer groß sind. Das Manko ist vor allem die Bezahlung. Zwar ist der Lohn in seriösen Zeitarbeitsfirmen üblicherweise per Tarifvertrag geregelt. Vereinbarungen haben sowohl der BZA und die iGZ als auch der Arbeitgeberverband mittelständischer Personaldienstleister (AMP) getroffen. Ein Hilfsarbeiter in der Zeitarbeit verdient im Grundlohn aber zwischen 35 und 43 Prozent weniger als sein Kollege im Metallbetrieb, der zur Stammbelegschaft gehört, heißt es in der Studie des NRW-Arbeitsministeriums. Die genaue Höhe der Kosten für die Überlassung der Zeitarbeiter ist für Auftraggeber abhängig von den Einsatzzeiten, der Branche, der Region und letztlich auch vom Verhandlungsgeschick auf beiden Seiten. Eine offizielle Durchschnittszahl gibt es laut BZA nicht.
Schätzungen
Schätzungen zufolge müssen die Firmen aber den rund 2,5-fachen Bruttolohn der Arbeitnehmer an die Zeitarbeitsfirma überweisen. Davon bekommt der Leiharbeiter seinen Sold und bezahlt das Verleihunternehmen die Sozialversicherungsabgaben sowie die Verwaltungskosten und die Kosten für die Mitarbeiterrekrutierung. Der Rest ist die Gewinnmarge.
Akademiker in der Zeitarbeit
Besonders groß ist diese Marge bei Hochqualifizierten. Den Zeitarbeitsfirmen kommt daher entgegen, dass die Zahl der vermittelten Helfer schon seit einiger Zeit zurückgeht und die der Akademiker gleichzeitig stark ansteigt. "Die Überlassung von Arbeitnehmern beschränkt sich längst nicht mehr nur auf die Produktionsbereiche, sondern umfasst alle Ebenen bis hinein ins Management", bestätigt Manpower-Chefin Calasan. Aktuell ist schon jeder zehnte Zeitarbeitnehmer Absolvent einer Universität oder Fachhochschule.
Flexible Einsätze
Auch in diesem Segment bildet Teilzeit Thiele in Ostwestfalen keine Ausnahme. Auch dort steigt die Zahl der vermittelten Akademiker. "Inzwischen stellt für viele Menschen der flexible Einsatz eine neue Form der Arbeit dar", sagt dazu Geschäftsführer Peter Thiele (Carsten Dierig, Welt am Sonntag, 09. 11.09).