Zeitarbeitsbranche steht vor zahlreichen Herausforderungen

Es war das vielleicht letzte Mitgliedertreffen unter der blau-grünen Fahne des iGZ: Zahlreiche NRW-Mitglieder des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen kamen jetzt nach Dortmund, um sich über die jüngsten Entwicklungen in Sachen Verbandsverschmelzung, Tarifverhandlungen und BAG-Urteil zum Gesamtschutz am 31. Mai zu informieren.

Kaum Kurzarbeit

Zum Auftakt begrüßten zunächst Hans-Joachim Scharrmann, iGZ-Landesbeauftragter für NRW, und iGZ-Regionalkreisleiter Thomas Altmann (Duisburg) die Teilnehmer. Scharrmann präsentierte das NRW-Zeitarbeitsbarometer – 173.000 Zeitarbeitskräfte registrierte das Statistische Bundesamt im Februar in NRW. Im März, so der iGZ-Landesbeauftragte, haben zehn Zeitarbeitsunternehmen für 90 Beschäftigte Kurzarbeitergeld angezeigt.

Hans-Joachim Scharrmann, iGZ-Landesbeauftragter für NRW (r.), stellte die aktuellen Zahlen zur Zeitarbeit in NRW vor.

Enges Vertrauensverhältnis

„Wir brauchen eine starke Stimme“, betonte der stellvertretende iGZ-Bundesvorsitzende Sven Kramer angesichts der geplanten Verschmelzung der Zeitarbeitgeberverbände BAP und iGZ zum Gesamtverband der Personaldienstleister (GVP). Die Zeitarbeitsbranche stehe aktuell vor großen Herausforderungen, die wesentlich besser gemeistert werden können, wenn man an einem Strang ziehe, verwies Kramer auf drohende tarifliche und gesetzliche Hürden. Beiderseitig sei in den Verbänden zunächst geprüft worden, ob eine Vertrauensbasis für ein Zusammengehen vorhanden sei, damit die Verschmelzung gelingen könne: „Durch verschiedene Kooperationen wie etwa die gemeinsame Arbeit in der Verhandlungsgemeinschaft Zeitarbeit (VGZ) herrscht schon länger ein enges Vertrauensverhältnis“, unterstrich Kramer.

Beitragsstruktur

Auf Nachfrage zum Thema Hauptamt stellte der stellvertretende Bundesvorsitzende nachdrücklich fest: „Wir wollen unsere Topleute im Hauptamt auf keinen Fall verlieren, das war eine der Hauptaufgaben bei der Verschmelzungsplanung“, und attestierte, dass die iGZ-Belegschaft komplett erhalten bleibe. Weiteres großes Thema sei die neue Beitragsstruktur, für die es aber bereits eine Lösung gebe: Die Mitgliedsbeiträge orientieren sich am iGZ-Prinzip, also Grundbeitrag plus Beitrag je Niederlassung – der Deckel wurde hier von 15 auf 25 angehoben. Auch der Grundbeitrag, der seit Gründung des iGZ vor 25 Jahren übrigens noch nie erhöht wurde, musste angepasst werden: „Angesichts der Inflation und der größeren Dimensionen“, so Kramer, „wäre eine Erhöhung aber auf jeden Fall unumgänglich gewesen.“ Als Standort bleiben Berlin und Münster erhalten, das sei bereits in der künftigen Satzung auch so definiert.

Ein Mitglied - eine Stimme

Besonders wichtig für die Mitglieder: „Auch im neuen Verband gilt ein Mitglied – eine Stimme“, kündigte Kramer an, dass alle Mitgliedsunternehmen auch weiterhin im Verbandsleben auf Augenhöhe agieren. Viele iGZ-Merkmale wie etwa der Ethikkodex sowie die Kontakt- und Schlichtungsstelle – Stichwort „Aus Beiden das Beste“ – werden mitgenommen. Regionale und lokale Strukturen sollen ebenso erhalten bleiben wie etwa das Seminarangebot. Der Verbandszweck solle künftig noch erweitert werden – auch Personalvermittler haben dann Zugang: „Das soll ein Verband für die gesamte Personaldienstleistung in Deutschland werden“, verdeutlichte Kramer. Weiteres Ziel sei es, aus beiden Tarifwerken schnellstmöglich ein einheitliches zu gestalten.

Mitgliederversammlung

Die Mitgliederversammlungen beider Verbände dazu finden am 21. Juni in Düsseldorf (iGZ) und in Berlin (BAP) statt. Zu den Branchenzuschlagstarifverhandlungen erinnerte Kramer, der auch VGZ-Verhandlungsführer ist, daran, dass es zum Jahresanfang einen hohen Abschluss wegen des angehobenen gesetzlichen Mindestlohns gegeben habe. Bislang sei zum Zuschlagstarif noch keine Einigung erzielt worden, es werde aber weiterverhandelt.

Erfahrung der Branche nutzen

Petra Füller, Leiterin der Koordinierenden Stelle Zeitarbeit der Bundesagentur für Arbeit (BA), referierte im Anschluss unter dem Titel „Kompetenz – Service – Zukunft“. Dabei ging sie unter anderem auch auf das Drittstaatsverbot in der Zeitarbeitsbranche ein und regte an, bei der Beschäftigung von Drittstaatlern die Erfahrungen der Zeitarbeitsbranche zu nutzen – aktuell ist die Einschränkung mit der Reform des Einwanderungsgesetzes in der Diskussion. „42 Prozent der Zeitarbeitskräfte haben einen Migrationshintergrund“, zeichnete Füller den hohen Erfahrungswert der Branche im Umgang mit Migranten nach. Insgesamt rund 60 Prozent der Zeitarbeitnehmer seien ungelernte Hilfskräfte – daher spiele  Qualifizierung eine immer wichtigere Rolle.

Auf die BA zugehen

Sie empfahl, gemeinsam mit den Kundenunternehmen dafür Strategien zu entwickeln und dann auf die BA zuzugehen – Stichwort Fördermittel. Mit den Agenturen könnten dann auch die Langfristperspektiven besprochen werden. Als Beispiele für Tätigkeitsfelder nannte Füller die soziale Teilhabe, die Frauenquote und die Demographie: „Es gibt schon Projekte, und die können künftig mit der Branche gemeinsam aufgesetzt werden“, appellierte sie, sich zu engagieren. Zusätzlich gebe es ein neues Angebot: „Berufsberatung im Erwerbsleben – lebenslanges Lernen und Weiterbildung der Beschäftigten.“

Gesamtschutz auf dem Prüfstand

Am 31. Mai fällt das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt eine Entscheidung zum Gesamtschutz von Zeitarbeitnehmern. Syndikusrechtsanwalt Eric Odenkirchen, Leiter des iGZ-Fachbereichs Arbeits- und Tarifrecht, informierte die iGZ-Mitglieder über den Sachverhalt und mögliche Folgen des Urteils. Im Vorfeld des Termins habe sich die Auffassung etabliert, dass die Tarifverträge bei unbefristeten Verhältnissen weiterhin vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen können. Bei synchronisierten Arbeitsverhältnissen (befristet) sei das dagegen nicht zu erwarten.

15.05.2023

BAG-Termin zum Gesamtschutz

Das Bundesarbeitsgericht hat im sog. "Gesamtschutzverfahren" (Az. 5 AZR 143/19) für den 31.05.2023 einen Entscheidungstermin anberaumt.


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15.12.2022

BAP-iGZ-Statement zum EuGH-Urteil Gesamtschutz der Zeitarbeitnehmer

Über den Autor

Wolfram Linke

Wolfram Linke ist seit Dezember 2023 Pressesprecher des Gesamtverbandes der Personaldienstleister (GVP). Seit Juni 2008 war er Pressesprecher des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen. Davor arbeitete er 18 Jahre lang als Redakteur bei einer Tageszeitung, bildete regelmäßig Volontäre aus, führte Praktikanten in die Welt des Journalismus ein und hielt zahlreiche Fachvorträge zum Thema Medien. Linke ist außerdem zertifizierter Online-Redakteur, Certified Microsoft Technology Associate (Windows und Netzwerke) und hat mehrere weitere Microsoft- sowie Adobe-Zertifikate. Seit März 2014 ist er Vorsitzender des Pressevereins Münster-Münsterland.


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