Werner Stolz: auch über den Horizont hinausschauen
Rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrüßte der iGZ-Bundesvorsitzende, Christian Baumann, zum ersten wieder in Präsenz veranstalteten iGZ-Bundeskongress in Hannover. „Zeitarbeit als Treibstoff für eine nachhaltige Wirtschaft“ titelte er seinen Vortrag, in dem er zum Auftakt zunächst auf die Auswirkungen der jüngsten Konjunkturdelle, des Angriffskrieges gegen die Ukraine und der Corona-Pandemie schilderte.
Er rechne mit einer Neuordnung des globalen Handels – die aktuelle Situation mit Blick auf den Ukrainer-Krieg löse eine sehr große Unsicherheit aus. Die deutsche Wirtschaft hat Angst, analysierte er die Situation. Die Zeitarbeit sei unter Einsatz aller Anstrengungen bislang durch die Krise gekommen. Es stelle sich die Frage, wie sich die Lage auf die nachfolgenden Generationen auswirke.
Demographischer Wandel
Zudem verwies Baumann auf das sich ankündigende Generationenproblem, die Zahl von Mitbürgern im berufsfähigen Alter werde dramatisch abnehmen. In Ergänzung dazu nehme die Zahl ausgebildeter Fachkräfte ab. Laut Studien lasse sich dieser Schwund – wenn überhaupt – nur noch durch die Rekrutierung internationaler Arbeitskräfte auffangen. Aufgabe der Zeitarbeit sei es, die Einschränkungen für die Branche zurückzufahren, um diese Einbrüche zu kompensieren. Als Beispiele nannte der iGZ-Bundesvorsitzende das Kurzarbeitergeld, die Rekrutierung von Arbeitskräften aus Drittstaaten und anachronistische Schriftformerfordernisse.
Aktuelle Marktwirtschaft
Die soziale Marktwirtschaft in den 2020er Jahren beleuchtete im Anschluss Anette Kramme MdB, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Arbeit und Soziales, aus dem „Off“: Wegen einer Corona-Erkrankung konnte sie nicht persönlich am Kongress teilnehmen. Ihr sei bewusst, dass die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro für manche Arbeitgeber zu früh komme. Trotzdem sei die Weiterentwicklung des Mindestlohns jetzt geboten. Dennoch solle die Mindestlohnkommission nach wie vor dafür zuständig sein.
Tarifneuregelung
Der Eingriff in die Tarifautonomie sei aus ihrer Sicht verhältnismäßig. Angestrebt werde nun eine Tariftreueregelung, um den Unterbietungsprozessen Einhalt zu gebieten. Auch zum Thema Homeoffice nahm sie Stellung. Digitalisierung und ortsflexibles Arbeiten haben laut Kramme nicht zuletzt auch durch Corona an Bedeutung gewonnen. Nun solle ein konkreter Rechtsrahmen für mobile Arbeit entwickelt werden. Durch die Pandemie habe zudem auch die Flexibilisierung der Arbeitszeit ein größeres Gewicht.
Evaluation der AÜG-Reform
Auch auf die Evaluationsergebnisse zur AÜG-Reform ging sie abschließend kurz ein und kündigte an, die Branche über den iGZ zu informieren, weil größter Wert auf Transparenz gelegt werde. In der Zeitarbeit sei in den letzten Jahren viel passiert, fasste sie zusammen und zählte positive Beispiele wie etwa die Lohnuntergrenze auf. Es sei aus ihrer Sicht „überhaupt nichts gegen Zeitarbeit einzuwenden“.
Über den Horizont hinaus
iGZ-Hauptgeschäftsführer Werner Stolz schenkte ihr ein Fernrohr, mit dem man weit über den Horizont hinausschauen könne. Beim Blick hindurch müsse sie sehen, dass die AÜG-Reform ein Fehler war und die Branche schon viel weiter sei.
Flexible Erwerbsformen
Die Bedeutung der Zeitarbeit für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt thematisierte Prof. Dr. Ulrich Walwei, Vizedirektor am IAB Nürnberg und Honorarprofessor für Arbeitsmarktforschung am Institut für Volkswirtschaftslehre und Ökonometrie der Universität Regensburg. Der wachsende Dienstleistungsbereich, Fach- und Arbeitskräfteengpässe, Branchenattraktivität und Re-Regulierung seien Kriterien, die sich auf die Zeitarbeit auswirken. Flexible Erwerbsformen haben, so Walwei, vor allem zwischen 1995 und 2005 stark zugenommen.
Gemeinsame Anstrengungen
Mit „Fachkräftemangel?! – Endlich grenzenlos denken und handeln“ war der Beitrag von Philipp Erik Breitenfeld, Humanus Personalservice GmbH, „Der FachkräfteGEWINNER“, überschrieben. Breitenfeld bezeichnete den demographischen Wandel als größte Herausforderung in Europa. Es brauche gemeinsamer Anstrengungen – auch mit der Politik – um dieses Thema gemeinsam anzugehen, verwies er auf den damit einhergehenden Arbeitskräftemangel. (WLI)