Wehrli: „Stille Reserven am Arbeitsmarkt aktivieren“

„Wenn wir den sich abzeichnenden Rückgang der Erwerbstätigen aufhalten wollen, müssen wir neue Beschäftigungspotenziale erschließen“, forderte Angelo Wehrli, Bundesvorstandsmitglied im Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ), im Rahmen eines Mitgliedertreffens in Hamburg. Bliebe es beim status quo sei laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln absehbar, dass die Zahl der Erwerbstätigen bis 2030 auf 36,8 Millionen sinken werde. Das wäre ein Rückgang von 6,5 Millionen Erwerbstätigen. „Daher müssen wir jetzt handeln“, unterstrich Wehrli.

Wehrli, der die iGZ-Projektgruppe „Zielgruppen des Arbeitsmarktes“ leitet, skizzierte verschiedene Maßnahmen, die zu einer besseren Nutzung der „stillen Reserven“ des Arbeitsmarktes führen können. Ein großes Potenzial sah der Projektgruppenleiter bei den älteren Arbeitnehmern. Wehrli: „Wenn wir die Lebensarbeitszeit von Menschen über 55 Jahre erhöhen und die Rente mit 67 dauerhaft realisieren, können wir ein Potenzial von bis zu 2,1 Millionen Erwerbstätigen zusätzlich nutzen.“ Wehrli verwies auf gute Chancen, das Arbeitszeitvolumen von Frauen weiter auszubauen: „Auch die Steigerung der Erwerbspartizipation von Frauen hätte mit 1,2 Millionen einen spürbaren Effekt.“ Der Arbeitsmarkt-Experte empfahl zudem die Umwandlung von Teilzeit- in Vollzeitstellen.

Arbeitsmarktpolitische Ausrichtung

„Personaldienstleister werden das Potenzial von Frauen, Älteren und Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt in Zukunft stärker ausschöpfen müssen“, resümierte Wehrli. Überdies müssten Personaldienstleiter ihr Angebotsportfolio erweitern: „Die Zeitarbeit muss um weitere Personaldienstleistungen ergänzt werden, wenn sie zukunftsfähig bleiben will.“ Er riet den Mitgliedsunternehmen: „Werden Sie Partner von Bewerbern und Unternehmen. Indem Sie die Mitarbeiter stärker an die Unternehmen binden, geben Sie der Branche eine gute Perspektive.“

Regulierungsabsichten

Aus Sicht des Interessenverbands skizzierte der iGZ-Landesbeauftragte Christian Baumann die aktuellen bundespolitischen Rahmenbedingungen: „Der Koalitionsvertrag wird umgesetzt. Daran lässt die große Koalition keinen Zweifel“, betonte Baumann. Der Zeitplan sehe vor, dass nach Ostern die ersten Referenten-Entwürfe zum Equal-Pay-Vorhaben und der geplanten Überlassungsdauer von 18 Monaten vorgelegt würden. „Im dritten Quartal soll dann der Einstieg ins Gesetzgebungsverfahren erfolgen“, prognostizierte er. Sein Hinweis an die Unternehmen der Branche: „Laden Sie Ihre politischen Vertreter zu sich in die Niederlassung ein und suchen Sie das Gespräch.“ Grundsätzlich gehe es nun darum, kühlen Kopf zu bewahren und sich durch die geplanten Gesetzesänderungen nicht verunsichern zu lassen.

Blick über den Tellerrand

Eine Einbettung in den weltpolitischen Kontext nahm Rasmus J. Joensen, Wertpapierspezialist der Sydbank, in seinem Referat vor: „Die Eurozone hat sich berappelt. Die Trendwende ist geschafft“, blickte der Wertpapierspezialist optimistisch in die Zukunft. Aus seiner Sicht werden steigende Reallöhne und rekordniedrige Zinsen dazu beitragen, dass das Wirtschaftswachstum auch in 2015 weiter anziehen wird. Demgegenüber betonte er, dass die Lohnstückkosten in Ländern wie Italien und Deutschland nach wie vor zu hoch seien. „Hier herrscht weiterhin Reformbedarf“, betonte er. Überdies verunsicherten die Entwicklungen in Griechenland und der Ukraine die Investoren. „Vor uns liegt ein interessantes Jahr“, fasste Joensen zusammen. „Wenn man vom starken Einmischungswillen der Politik absieht, sind die Vorzeichen weitgehend positiv.“ (BR)