Viele Modelle in der Zeitarbeit Europas
Wie unterschiedlich Zeitarbeit sein kann, wurde bei der Diskussion zum Thema „Blick über die Grenzen hinaus: Zeitarbeit in der Europäischen Union – Gemeinsamkeiten und Unterschiede“ im Rahmen des achten Potsdamer Rechtsforums deutlich.
Moderiert von Marcel Speker, Leiter Fachbereich Kommunikation und Digitalisierungsbeauftragter, sprachen Norbert Schommers, Leiter „Fachbereich Beschäftigung“ Ministerium der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgien, Markus Archan, Präsident Österreichs Personaldienstleister, David van Swol vom NBBU (Niederlande), und Judith Schröder, iGZ-Leiterin Fachbereich Arbeits- und Tarifrecht, über die jeweiligen Gegebenheiten der Länder.
Vielschichtige Strukturen
Ob nun ein niedriger Altersdurchschnitt in den Niederlanden, die Zuständigkeit der Kundenunternehmen für die Arbeitssicherheit in Österreich oder der Boom der Zeitarbeit in Belgien in den vergangenen Jahren: Die Situationen sind recht unterschiedlich, aber die EU-Richtlinie zur Zeitarbeit gilt für alle. Schröder fasste denn auch zusammen, dass zahlreiche Bedingungen für alle gleich seien.
Niedriger Gesamtanteil
Im Verhältnis zur Gesamtwirtschaft zeichne sich ebenfalls je ein vergleichsweise niedriges Anteilsniveau der Zeitarbeit in den Ländern ab. In den Niederlanden gelte Selbstkontrolle, erläuterte van Swol, warum es dort keine Erlaubnispflicht geben. Dafür gebe es eine Zertifizierung, um die sich die Zeitarbeitsunternehmen selbst kümmern müssen. Zudem existiere eine „Tarifvertragspolizei“, die streng – bis zu fünf Jahre zurück – kontrolliere.
Restriktion in Belgien
In Belgien herrsche ein hohes Maß an Restriktion. Wer einen Antrag stelle, müsse eine Garantie beim Staat in Höhe von 25.000 Euro fällig. Nach der Genehmigung seien dann nochmals 50.000 Euro fällig, um im Falle der Zahlungsunfähigkeit die Entlohnung der Zeitarbeitnehmer zu gewährleisten. Allerdings gebe es auch eine Jahresendprämie, über die das Zeitarbeitsunternehmen das Geld verrechnet bekommen könne. Am Ende bleiben, so Schommers, 5.000 Euro beim Bund.
Bewegungsnachweis und Fachgespräch
Österreich habe einen Befähigungsnachweis, bestätigte Archan auf Nachfrage von Speker. Dort reiche ein Fachgespräch mit den zuständigen Behörden, allerdings herrsche in Österreich eine ausgeprägte Kontrolle von der Gebietskrankenkasse bis hin zur Finanzpolizei. Eine spezielle Ausbildung müsse nicht nachgewiesen werden, jedoch existiere eine längere Prüfung vor einer Kommission, die absolviert werden müsse, bevor die Arbeitnehmerüberlassung erlaubt werde.
Positives Image in den Niederlanden
Auch das Image sei unterschiedlich: In den Niederlanden können Zeitarbeitnehmer nach 52 Wochen bei der Bank eine Hypothek für zum Beispiel den Hauskauf bekommen – das wirke sich überaus positiv auf das Image der Branche aus, betonte van Swol. Auch die Einführung von Equal Pay ab dem ersten Tag vor 20 Jahren habe einen positiven Effekt auf den Ruf der Zeitarbeit in den Niederlanden. In Österreich gebe es keine relevanten Nachteile, der Zeitarbeitnehmer sei sozialversicherungspflichtig beschäftigt wie jeder andere auch. Das habe wohl auch mit den Entgeltregelungen über den Kollektivvertrag zu tun. Denn es könne durchaus der Fall auftreten, dass ein überlassener Gabelstaplerfahrer 150 Euro mehr verdiene als das Stammpersonal.
Motive für Zeitarbeit
In Belgien richtet sich die Überlassungsdauer nach den Motiven, Zeitarbeit einzusetzen. Im Falle der Mutterschaftsvertretung etwa orientiere sich die Überlassung an der Abwesenheit des Stammmitarbeiters. Auch die Eingliederung in den Arbeitsmarkt sei mittlerweile als Motiv für den Einsatz von Zeitarbeit definiert worden. Abschließend empfahl Schröder, sich die einzelnen Modelle genauer anzuschauen, um dann das eigene weiter optimieren zu können. (WLI)