Unterschiedliche Positionen zur Zeitarbeit
Bundeskanzlerin Merkel: Meine Damen und Herren, wir haben uns heute mit der Spitze des Deutschen Gewerkschaftsbundes hier im Bundeskanzleramt getroffen. Das sind regelmäßige Gespräche, die wir immer in Abständen führen, in der Krise besonders häufig. Aber ich glaube, es gibt viele gute Gründe, sie auch jetzt fortzusetzen, wenn sich die wirtschaftliche Lage etwas verbessert. Wir sind nämlich gemeinsam der Auffassung, das zwar eine gewisse wirtschaftliche Erholung zu sehen ist, dass dieser Aufschwung aber noch sehr fragil ist und dass alles getan werden muss, um vor allen Dingen auch Arbeitsplätze zu sichern und, wo immer möglich, neue zu schaffen.
Ein Thema war das Thema Leiharbeit. Hierbei gehen die Positionen auch auseinander. Aber wir haben uns noch einmal sehr eingehend darlegen lassen, dass Leiharbeit aus Sicht der Gewerkschaften zum Teil auch missbraucht wird. Ich habe noch einmal deutlich gemacht, dass wir die Erholung, die es jetzt gibt, natürlich nicht so gestalten dürfen, dass auf der einen Seite die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Krise ein hohes Maß an Bereitschaft gezeigt haben, sich für die gesamte Lage verantwortlich zu zeigen, und dass auf der anderen Seite die Erfahrung im Aufschwung eine ist, von der viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer doch enttäuscht sind. Insofern werden wir diesbezüglich auch in Gesprächen mit der Wirtschaft und mit Arbeitgebern darauf achten, dass wir an dieser Stelle den Zusammenhalt der Gesellschaft, wie es ihn in der Krise in einem doch erfreulichen Maß gab, auch für die Zukunft erhalten können.
Wir haben über das Thema Tarifeinheit gesprochen. Diesbezüglich habe ich zugesagt, dass die Bundesregierung innerhalb der nächsten vier Wochen entscheiden wird, in welcher Art und Weise wir vorgehen. Das ist für die Gewerkschaften ein sehr wichtiges und drängendes Thema; dafür habe ich auch großes Verständnis. Die Bundesregierung hat jetzt eine Anhörung veranstaltet. Die wird ausgewertet, und dann werden wir auf dieser Grundlage sehr schnell und kurzfristig entscheiden.(...)
DGB-Chef Sommer: Ich habe gleichzeitig gesagt: Ich will daran anknüpfen und Sie auffordern, alles dafür zu tun, dass diese soziale Balance nach der Krise nicht wieder zerstört wird. Wir haben jetzt im Aufschwung in den Bereichen, in denen es einen Aufschwung gibt insbesondere beim Einstellungsverhalten der Arbeitgeber den Eindruck, dass diese dort weitermachen, wo sie vor der Krise waren, und dies noch verschärft, indem der Beschäftigungsaufbau fast ausschließlich in missbräuchlicher Anwendung der Leiharbeit stattfindet.
Wir sind der Auffassung, dass der Gesetzgeber in zwei Bereichen handeln muss, zum einen im Bereich der Durchsetzung des Grundsatzes "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit", möglichst vom ersten Tag an, vielleicht nach einer gewissen Einarbeitungszeit. Das kann und darf nicht allein den Tarifvertragsparteien überlassen werden.
Zum anderen geht es um das Thema Mindestlohn. Wir haben an Gespräche angeknüpft, die wir mit der Bundesarbeitsministerin geführt hatte. Die sind auch bis zu einem bestimmten Punkt vorangetrieben worden. Aber jetzt geht es letztendlich um die politische Entscheidung. Ich weiß, dass es innerhalb der Regierungskoalition sehr schwierig ist, aber ich will deutlich machen: Wir erwarten auch und gerade von der Bundeskanzlerin in dieser Frage den notwendigen Nachhall und Nachdruck.
Ich will noch einmal deutlich machen: Wir haben schon den Eindruck, dass die Kanzlerin in einigen Fragen gefordert ist, die soziale Balance herzustellen. In einigen Punkten haben wir uns heute angenähert, und in anderen sind die Streitpunkte bestehen geblieben. (...) (Bundesregierung, 09.09.´10)