Sympathie für Zeitarbeit

Den eigentlichen Vorteil für den Zeitarbeiter sieht sie jenseits des Lohnstreifens: Zeitarbeit biete die Möglichkeit, der Arbeitslosigkeit zu entgehen oder sie zu beenden und die berufliche Qualifikation zu erhalten. „Jeder Tag in Arbeitslosigkeit ist schlecht, denn man vergisst jeden Tag etwas“, sagt Carola Voelkel.

Weil es auf die Dauer frustriert, weniger zu verdienen als der Kollege an der gleichen Werkbank, und weil sich viele Zeitarbeiter wünschen, nicht immer wieder ihren Arbeitsplatz wechseln zu müssen, ist das Dasein als Zeitarbeiter für die meisten Arbeitnehmer nicht das Erstrebenswerteste. Aber vielen gelingt der Absprung in eine normale Firma auf einen festen unbefristeten Arbeitsplatz nicht. Ja, das sei so, sagt Voelkel, aber das sei nicht zwangsläufig so. Rund 30 Prozent der Zeitarbeiter würden von Firmen, in denen sie auf Zeit arbeiteten, übernommen. „Klebeeffekt“ nennt man das.

Um die Phase der Zeitarbeit im Arbeitsleben zu verkürzen, müsse man natürlich auch selbst aktiv nach einer festen Arbeitsstelle suchen. „Zeitarbeit ist nur dann eine Sackgasse, wenn man sich zwischenzeitlich nicht woanders bewirbt“, ist die Chefin der Arbeitsagentur überzeugt. Und Bewerbungen aus einem Zeitarbeitsjob heraus seien ganz klar erfolgversprechender als aus der Arbeitslosigkeit heraus, denn in der Zeitarbeit erhalte man seine berufliche Qualifikation.

Zeitarbeit biete darüber hinaus auch Personen eine Chance, die es in normalen Unternehmen nicht so leicht haben: Jungen, die nach der Ausbildung von ihrem Betrieb nicht übernommen wurden, oder auch alten Arbeitnehmern. „Zeitarbeitsfirmen sind großzügiger“, so Voelkel, wohl oft auch aus der Not heraus, weil sie Leute suchen.

Und Voelkel versichert, sie kenne auch bestens qualifizierte Zeitarbeiter, die es schätzen, viele verschiedene Betriebe beuflich kennenzulernen, und die „gar nicht hundert Jahre bei einer Firma sein wollen“. Da sei ein Umdenken im Gange.

Das Verhältnis von Zeitarbeitsstellen und festen Stellen werde sich mit dem fortschreitenden konjunkturellen Aufschwung verändern, meint Voelkel. Nach dem „Tal der Tränen, durch das wir auch in Wiesbaden gegangen sind“, sei zu erwarten, dass Firmen wieder mehr feste Stellen anbieten, aber das sei ein längerer Prozess. Zunächst versuchten die Betriebe, mit Überstunden und Wochenendarbeit ihre Aufträge zu erfüllen, dann griffen sie erfahrungsgemäß zur Zeitarbeit, dann würden befristete Arbeitsverträge geschlossen und erst dann falle der Entschluss, feste Stellen anzubieten. „Das dauert“. (Wiesbadener Tageblatt, 07.03.´11)