SPD-Leitantrag zur Zukunft der Arbeit kommentiert

Der SPD-Parteivorstand hat einen Leitantrag zur Arbeitswelt der Zukunft für den Bundesparteitag im Dezember 2015 in Berlin beschlossen. Laut SPD gehe das steigende Bedürfnis nach Flexibilität mit Arbeitsbedingungen einher, die nicht den Kriterien guter Arbeit entspräche. iGZ-Hauptgeschäftsführer Werner Stolz widersprach mit einem Brief an den SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel.

In dem Brief heißt es:

Sehr geehrter Herr Gabriel,

mit Interesse haben wir Ihr Papier „Die Arbeitswelt der Zukunft gestalten“ gelesen. Darin nehmen Sie Bezug darauf, dass die Arbeitswelt in der Vergangenheit flexibler geworden sei. Ich möchte ergänzen: Dieser Trend wird sich in Zukunft noch weiter verstärken. Unternehmen in Deutschland werden sich in den kommenden Jahren in einer Flexibilitätszange befinden. Einerseits werden die Produktionsprozesse eine entsprechende Flexibilität einfordern, hinzukommen werden aber auch die Flexibilitätsanforderungen die sich durch das eigene Personal ergeben – beispielsweise aufgrund tariflicher oder rechtlicher Ansprüche. Als Beispiel sei hier nur das Pflegezeitgesetz genannt. Dieses wird in Unternehmen zu einem dauerhaften Flexibilitätsbedarf führen, der zwar schwankt, aber immer da sein wird.

In Ihrem Papier „Die Arbeitswelt der Zukunft gestalten“ schreiben Sie außerdem:

„In den letzten Jahrzehnten ist die Arbeitswelt in vielerlei Hinsicht flexibler geworden. Es gibt ein hohes Maß an interner Flexibilität in den Betrieben und externer Flexibilität (z.B. durch Leiharbeit), um auf Kundenanforderungen, Auftragsschwankungen und gesamtwirtschaftliche Krisen zu reagieren. Doch diese Flexibilität geht vielfach mit Arbeitsbedingungen einher, die nicht den Kriterien Guter Arbeit entsprechen. Atypische und prekäre Arbeitsformen haben ebenso zugenommen wie atypische Arbeitszeiten. Für die allermeisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind eine gute Bezahlung, eine unbefristete Beschäftigung, die Sicherheit des Arbeitsplatzes und klar geregelte Arbeitszeiten, also wesentliche Elemente des klassischen Normalarbeitsverhältnisses, immer noch zentral. Diese Ansprüche gelten in besonderer Weise für prekär Beschäftigte, für die viele dieser Bedingungen nicht erfüllt sind.“

Dazu bleibt festzuhalten: Sie fordern eine gute Bezahlung, unbefristete Beschäftigung, die Sicherheit des Arbeitsplatzes und klar geregelte Arbeitszeiten als Kriterien des klassischen Normalarbeitsverhältnis. All diese Aspekte erfüllt die Zeitarbeit: Die Bezahlung ist tariflich mit den DGB-Gewerkschaften geregelt. In 90 Prozent der Unternehmen wird übertariflich bezahlt. Branchenzuschläge schließen schon heute die Tariflücke, wenn die Mitarbeiter in eine Branche überlassen werden, in der es ein höheres Lohnniveau als in der Zeitarbeit gibt. Über 80 Prozent der Mitarbeiter in der Zeitarbeit sind unbefristet beschäftigt – zum Vergleich: In der sogenannten Normalwirtschaft liegt der Anteil der Unbefristeten bei Neueinstellungen bei gerade einmal 66 Prozent. Die Sicherheit des Arbeitsplatzes ergibt sich durch das unbefristete Beschäftigungsverhältnis. Der Wechsel der Einsatzorte ist übrigens keine Besonderheit der Zeitarbeit. Jeder Monteur und Handwerker arbeitet noch viel häufiger an verschiedenen Arbeitsplätzen, als das in der Zeitarbeit üblich ist.

Sehr geehrter Herr Gabriel, wir sind der Meinung, dass das deutsche Arbeitsleben kein besser geeignetes Instrument kennt, um diesen Flexibilitätsanforderungen zu entsprechen, als die Zeitarbeit. Das bestätigt übrigens auch Frau Prof. Dr. Rump, die von der Zeitarbeit als dem Prototypen der „Flexicurity“ spricht – also der Kombination der Flexibilitätsanforderungen der Unternehmen mit den Sicherheitsbedürfnissen an einen festen Arbeitsplatz seitens der Mitarbeiter.

Die immer wiederholte Behauptung, es gebe eine Kernfunktion für die Zeitarbeit und das sei der Einsatz bei Auftragsspitzen, wird so entkräftet. Im Übrigen hat es eine solche Definition einer Kernfunktion nie gegeben. Im Gegenteil: Gerhard Schröder hat bei der Einbringung des Gesetzespaketes Hartz I seinerzeit im Bundestag gesagt: „Wir haben die Zeit- und Leiharbeit von bürokratischen Beschränkungen befreit und so aufgewertet, dass die Unternehmen ihren Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften flexibel decken können.“ Dieser Formulierung einer Kernfunktion könnten wir uns zumindest inhaltlich anschließen, wenngleich es natürlich nicht Aufgabe der Politik ist, „Funktionen“ einzelner Wirtschaftsbranchen zu definieren.

Ich würde mich freuen, wenn Sie meine Anmerkungen in der weiteren innerparteilichen Diskussion Ihrer arbeitsmarktpolitischen Positionen berücksichtigen würden. Für Rückfragen und bei Gesprächsbedarf stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

RA Werner Stolz

Hauptgeschäftsführer und Mitglied im Bundesvorstand