Sozialpartner finden bessere Lösungen

„All das, was regelungsbedürftig und -fähig ist, sollte vorzugsweise über die Sozialpartner geregelt und geklärt werden“, empfahl Prof. Dr. Norbert Lammert, Bundestagspräsident a.D., in seinem Vortrag „Teilhabe am Arbeitsleben als Aspekt des gesellschaftlichen Zusammenhalts.“ Diese finden, so Lammert, treffgenauere und praktikablere Problemlösungen, als es der Gesetzgeber jemals könnte.

Für Lammert stand fest, dass die Gesellschaft in Zeiten von großen und schnellen Veränderungen lebt und diese sich in einem globalen Maßstab abspielen. Jedoch finden sie nicht überall gleich schnell statt, sondern überall zeitversetzt.

Balanceverhältnis zwischen Stabilität und Flexibilität

„Für mich ist nicht jede Veränderung eine Innovation, nicht jede Innovation eine Errungenschaft“, stellte Lammert fest. Es lohne sich darüber nachzudenken, wie die Gesellschaft mit Veränderungen umgehen müsse und welche Veränderungen fokussiert werden können und sollten. Es müsse ein vernünftiges Balanceverhältnis in der modernen Gesellschaft etabliert werden. Ebenso wie belastbare, stabile, kalkulierbare Rahmenbedingungen, denn ohne sie könnte eine Gesellschaft Veränderungen nicht bewältigen. „Das eigentliche Kunststück ist nicht, sich in einer Gesellschaft heldenhaft für Stabilität oder Flexibilität zu entscheiden, sondern beide in ein Balanceverhältnis zu bringen“, erklärte Lammert.

Etablierung des Sozialstaats

Der besondere Beitrag, den Deutschland in seiner modernen Entwicklung zum modernen Staatsverständnis geleistet habe, sei die Etablierung des Sozialstaats. Denn die Demokratie habe Deutschland nicht entwickelt. Ebenso wenig waren die Republik oder die Rechtsstaaten eine deutsche Erfindung. „Was in Deutschland erstmals in einem gesamtgesellschaftlichen Maßstab entwickelt wurde, ist die Vorstellung eines Sozialstaats“, so Lammert. Mittlerweile seien 90 Prozent der deutschen Bevölkerung in den Sozialstaat etabliert.

Passendes Verhältnis zwischen Ökonomie und Ethik

Es müsse darüber geredet werden, welches Verhältnis sich die Gesellschaft zwischen Ökonomie und Ethik vorstellen könne. „Man sollte die moderne Gesellschaft nicht der Eigendynamik von ökonomischem Kalkül überlassen“, mahnte Lammert. Gerade das sei der Grund für die Etablierung des Sozialstaats gewesen.

Sozialer Staat in Schieflage

Den deutschen Sozialstaat sehen aktuell jedoch 69 Prozent der Deutschen in einer sozialen Schieflage. 70 Prozent glauben sogar nicht mehr an das System der sozialen Marktwirtschaft. Also dass man, trotz Anstrengung, nicht mehr in der Gesellschaft aufsteigen könne. Allerdings finden auch neun von zehn Befragten, dass in Deutschland zu viel kritisiert wird. (SB)