Scharfe Kritik an GroKo-Plänen

Bettina Schiller, iGZ-Landesbeauftragte Bremen, brachte die Sache auf den Punkt: „Wir hier im Norden sind zwar sturmerprobt, aber was im Zuge der Bundestagswahl auf uns zukam, das war schon heftig – auch für uns Nordlichter!“ Welche Folgen es für die Zeitarbeit haben könnte, wenn die Bundesregierung eine Beschränkung der Höchstüberlassungsdauer und gesetzliches Equal Pay einführt, diskutierten mehr als 200 Teilnehmer beim iGZ-Landeskongress Nord in Bremen.

„Die unsichere Wirtschaftslage sowie die Ukraine-Krise sorgen für bewegtes Wasser“, blieb Schiller in der Eröffnungsrede im Sprachduktus. Hohe Hürden stelle zudem die Bundesregierung mit ihren Regulierungsplänen. „Und das, obwohl wir auf tariflicher Ebene in den letzten Jahren viel getan haben“, erinnerte sie an Branchenzuschläge, den iGZ-Ethik-Kodex und die unabhängige Kontakt- und Schlichtungsstelle KuSS.

18 Monate gewürfelt

Gerade wegen all dieser tariflichen Errungenschaften ärgerte sich auch iGZ-Hauptgeschäftsführer Werner Stolz über die Pläne der Großen Koalition. „Die 18 Monate sind gewürfelt“, machte er seinem Unmut über die geplante Höchstüberlassungsdauer Luft. Die SPD wollte zwölf Monate, die CDU 24 Monate – schließlich habe man sich in der Mitte getroffen. Das folge keiner nachvollziehbaren Systematik: „Ich habe mit einer Reform eigentlich immer Fortschritt verbunden. Den kann ich hier aber keineswegs erkennen!“

„Entweder ignorant oder ein Lügner!“

Ebenso vehement vertrat er seine Meinung zu den Equal Pay-Plänen. „Zeitarbeit hat mit Niedriglöhnen doch schon lange nichts mehr zu tun“, verwies er auf den iGZ-DGB-Tarifvertrag, der aktuell einen Mindestlohn von 8,50 Euro in Westdeutschland und 7,86 Euro im Osten vorsehe, der in den nächsten Stufen bis auf 9 Euro West und 8,50 Euro Ost ansteigen werde. Hinzu kämen bei längeren Einsatzdauern die Branchenzuschläge von bis zu 50 Prozent. „Wer da immer noch von Dumpinglöhnen in der Zeitarbeit spricht, der ist entweder ignorant oder ein Lügner!“, unterstrich er.

Mitarbeitermotivation

Wie können Unternehmen eine Kultur schaffen, in denen Mitarbeiter nachhaltig motiviert sind? Diese Frage klärte Katharina Bitter, Head Performance Katharina Bitter. „Prämiensysteme bieten nur einen kurzfristigen Schub“, verdeutlichte sie. „Wertschätzung und Lob aber helfen langfristig.“ Arbeitgeber sollten sich Zeit nehmen, um mit den Mitarbeitern zu reden und dann auch – soweit möglich – auf ihre Bedürfnisse eingehen. „Halten Sie Ihre Mitarbeiter im Blick!“, riet sie den Zeitarbeitsunternehmern.

„Unqualifizierte gesetzliche Regulierungen“

Wieso die Wirtschaft Zeitarbeit braucht, verdeutlichte RA Cornelius Neumann-Redlin, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Bremen. „Wir haben in Deutschland europaweit den höchsten Kündigungsschutz“, stellte er fest. „Ich bin kein Freund davon, den Kündigungsschutz zu lockern. Aber Betriebe müssen sich diese fehlende Flexibilität über andere Kanäle holen können, wie etwa über Zeitarbeit.“ Neumann-Redlin appellierte an die Bundesregierung, von den geplanten „unqualifizierten gesetzlichen Regulierungen“ Abstand zu nehmen. „Die Tarifpartner sind deutlich näher an den Problemen dran als die Politik es je sein könnte“, forderte er, dass die Möglichkeit von Tariföffnungsklauseln erhalten bleiben muss, um branchenspezifische Lösungen zu finden.

Podiumsdiskussion

Diese Forderung vertiefte er anschließend in der Podiumsdiskussion zum Thema „Die Koalitionsbeschlüsse der Zeitarbeit in der Diskussion mit Wirtschaft, Politik und Medien“. Unter der Moderation von iGZ-Kommunikationsleiter Marcel Speker debattierten neben Neumann-Redlin Harald Schumacher, Wirtschaftswoche, Annette Düring, DGB-Regionsvorsitzende Bremen-Elbe-Weser, Dieter Reinken, Sprecher für Arbeitsmarktpolitik in der SPD-Bürgerschaftsfraktion, und Christian Baumann, iGZ-Landesbeauftragter Hamburg. (zum separaten Artikel)

Abgrenzung von Werkverträgen

Prof. Dr. Christiane Brors, Institut für Rechtswissenschaften an der Universität Oldenburg, machte darauf aufmerksam, wie komplex die Abgrenzung von Zeitarbeit und Werkverträgen ist. Es reiche nicht aus darauf zu schauen, wer bei dem Fremdeinsatz Weisungen erteile. Am Ende sei die Summe aller Spuren relevant, die während des Fremdeinsatzes hinterlassen wurden.

Neue Mindestlohnregelung

Malermindestlohn im Hotel? Wie geht das? Ein Nebensatz im Tarifautonomiestärkungsgesetz macht es möglich, erklärte iGZ-Geschäftsführer Dr. Martin Dreyer: „Es kommt nur noch auf die genaue Tätigkeit an, nicht auf die Branchenzugehörigkeit des Kundenbetriebs.“ Darum stehe einer Zeitarbeitskraft, die typische Aufgaben des Maler- und Lackiererhandwerks nachgehe, der Malermindestlohn zu. Aber: „Wenn das Hotel jedoch selbst einen Maler einstellt, fällt das nicht unter das Malermindestlohngesetz, weil der betriebliche Geltungsbereich nicht erfüllt wird“, kritisierte Dreyer die neue gesetzliche Lösung. (ML)