Rundum-Servicepaket für Hilfesuchende
Die Teilnehmer des Praxisforums 2 beim iGZ-Landeskongress Süd in Nürnberg staunten nicht schlecht: „Funktionaler Analphabetismus betrifft 12,1 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren“, erläuterte Ralf Häder, Geschäftsführer des Bundesverbandes Alphabetisierung und Grundbildung. Das, so Häder, entspreche einer Größenordnung von 6,2 Millionen Menschen in Deutschland.
„Fehlerhaftes Schreiben und Unsicherheiten in der Rechtschreibung auch bei Wörtern aus dem alltäglichen Wortschatz zeigen sich bei weiteren 20,5 Prozent beziehungsweise 10,6 Millionen Erwachsenen“, zeichnete der Geschäftsführer die Dimensionen nach.
Literale Kompetenz
Nicht dazu gehören laut Häder Menschen, die noch der Schulpflicht der allgemeinbildenden Schulen unterliegen sowie Erwachsene, die infolge organischer oder psychischer Beeinträchtigungen grundsätzlich nicht oder nicht mehr in der Lage seien, sich literale Kompetenzen anzueignen. Interessantes wusste er auch zur Erwerbstätigkeit zu berichten: „63 Prozent der funktionalen Analphabeten sind erwerbstätig, rund 12,9 Prozent sind arbeitslos“, erklärte Häder zum Thema Beschäftigung funktionaler Analphabeten.
Muttersprache
52,6 Prozent der Analphabeten seien Muttersprachler. Häder: Von den 47,4 Prozent mit einer anderen Muttersprache können laut Selbsteinschätzung 77,8 Prozent in ihrer Herkunftssprache anspruchsvolle Texte lesen und schreiben.“ Zahlen, die laut Geschäftsführer auch die ungewöhnlich anmutende Kooperation zwischen dem Bundesverband Alphabetisierung, dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen und dem Spaß am Lesen Verlag erklären.
ALFA-Telefon
„Mit dieser bundesweit einmaligen Zusammenarbeit“, so Ralf Häder, „haben wir nun auch direkten Kontakt zu den Arbeitnehmern, und über das ALFA-Telefon können wir zum Beispiel arbeitslosen Hilfesuchenden auch die Möglichkeit bieten, über die Zeitarbeit zurück in den Arbeitsmarkt zu finden.“ Das sei quasi ein Rundum-Service-Paket für all jene mit einer Lese-/Rechtschreibschwäche.
Kooperationserfolge
Erste Erfolge habe man auch bereits auf dem Habenkonto verbuchen können, erinnerte er an das Engagement Ralf Lemles – der iGZ-Landesbeauftragte für NRW habe unter anderem einem seiner Mitarbeiter, der sich geoutet habe, helfen können. Um eine solche Schwäche überhaupt erkennen zu können, biete der iGZ im nächsten Programm spezielle Seminare dazu für Personaldisponenten an.
Indiduelle Faktoren
Individuelle Faktoren, so Häder, seien beispielsweise eine verzögerte Sprachentwicklung, eine Hör- oder Sehschwäche, Schulabwesenheit durch Krankheiten sowie familiäre Faktoren. Weitere Indizien seien ein schriftfernes Elternhaus und damit fehlende Vorbilder, keine ausreichende Unterstützung beim Ausgleich von Schwierigkeiten, Vernachlässigung, Gewalt, psychische Belastungen sowie Armut. Auch schulische Faktoren kämen eventuell in Betracht, insbesondere große Klassen und zu wenig oder überfordertes Lehrpersonal, unpassende oder zu wenig Förderangebote und Mobbing.
Z direkt!
Abschließend verwies der Geschäftsführer auf die neueste Ausgabe des Fachmagazins zur Zeitarbeit, der Z direkt!: Im Magazin 03-2019 sei „Lesen lernen mit Zeitarbeit“ das Hauptthema – auf zwölf Seiten werden alle Aspekte der Kooperation, Inhalte, Intention und Ziele näher vorgestellt. (WLI)
Interview mit dem Bundesverband Alphabetisierung
20.09.2019
6,2 Mio. Erwerbstätige können nur rudimentär Lesen und Schreiben. Ralf Häder, Geschäftsführer beim Bundesverband ...