Personaldienstleister finden passende Mitarbeiter
Zeitarbeit und Recruiting - das passt für Jürgen Seifert, Director HR, Customer Service & ICS der TNT Express GmbH in Troisdorf, hervorragend zusammen. Via Zeitarbeit lernt er viele Fachkräfte kennen, die sich bei entsprechender Leistung sogar ein Übernahmeangebot versprechen können. Diese Methode, Personal zu gewinnen, sei „viel tragfähiger“ im Vergleich zu herkömmlichen Auswahlgesprächen. Es ist eben ein Unterschied, ob man jemanden lediglich von der Papierform und dem im Auswahlgespräch gewonnenen Eindruck beurteilt oder aufgrund längerer Beobachtung bei der täglichen Arbeit. „Für mich ist Zeitarbeit deshalb ein wichtiges Rekrutierungsinstrument geworden“, ist Seifert überzeugt.
Die Tochter des niederländischen Logistikkonzerns unterhält hierzulande 40 Standorte. Primär im Lager, aber auch im Kundendienst beschäftigt das Unternehmen etwa 1000 Zeitarbeitskräfte im Jahr. Pro Arbeitsplatz kommt es dabei laut Seifert zu zwei oder drei personellen Wechseln. In der Logistik, sagt der Personalleiter, müsse man täglich auf Kundenaufträge vorbereitet sein und dafür in hinreichendem Umfang Personal vorhalten. „Dort, wo Sendungen umgeschlagen werden, müssen wir insbesondere in gewerblichen Tätigkeitsfeldern mit qualifiziertem Personal reagieren.“
Bei der Übernahme von Zeitarbeitskräften, in der Fachsprache auch „Temp-to-Perm“ genannt, vertraut Seifert auf ein standardisiertes Verfahren. „Wir beobachten die Mitarbeiter zunächst drei bis neun Monate lang, ehe wir ihnen ein Angebot unterbreiten.“ Die Anstellung sei auf ein Jahr begrenzt. Überzeugt der Mitarbeiter mit seinen Leistungen, winkt ein unbefristeter Arbeitsvertrag. Andernfalls schließt sich eine weitere auf ein Jahr befristete Beschäftigung an. Konkret hätten rund 30 Prozent der Zeitarbeitskräfte die Chance auf Übernahme, sagt Seifert. „Zwischen 80 und 90 Prozent aus diesem Kreis bleiben langfristig bei uns."
In der Arbeitnehmerüberlassung (AÜ) sowie im Recruiting kooperiert TNT Express mit einem Dienstleister, der das Geschäft ebenso wie sein Kunde bundesweit von zahlreichen Niederlassungen aus steuert. Sei es dem Partner nicht möglich, an einem bestimmten Standort Fachkräfte „in definierter Geschwindigkeit und geforderter Qualität“ anzubieten, wie Seifert betont, habe man sich vertraglich verständigt, zusätzlich lokale Dienstleister zu beauftragen.
In den Projekten der Voith Industrial Services GmbH in Stuttgart verhält es sich etwas anders. Der Industriedienstleister mit weltweit rund 18.500 Mitarbeitern programmiert Roboter von Automobilherstellern und hält große Produktionsanlagen in Stand. Je nachdem, ob sich Michael Witt, Teamleiter Recruiting, auf AÜ, Temp-to-Perm oder Direct Search sowie die Auslagerung von Recruiting-Aufgaben (Recruitment Process Outsourcing, kurz: RPO) konzentriert, zieht er den für die jeweilige Aufgabe am besten geeigneten Partner zu Rate.
Vor drei Monaten hat Witt erstmals ein RPO-Projekt gestartet. Der Dienstleister wurde beauftragt, für Voith Kalkulatoren für die technische Reinigung sowie Facility Manager anzusprechen und für die engere Wahl zu präsentieren. Laut Witt handelt es sich dabei um besonders qualifizierte Fachkräfte, „die primär durch Active Sourcing angesprochen werden müssen, weil eine herkömmliche Key-log-Suche kaum Erfolg verspricht“. Hinter dem Begriff Active Sourcing verbirgt sich eine Suchmethode, die bislang eher Personalberatern vorbehalten war. Man spricht dabei jene Kandidaten an, die nicht auf der Suche nach einer neuen beruflichen Herausforderung, sondern ungekündigt in einem vergleichbaren Aufgabenfeld tätig sind.
Bei der Auswahl des Zeitarbeitsdienstleisters ging es Witt zufolge darum, ob er das Active Sourcing aus dem Effeff beherrscht. „Im Markt gibt es durchaus spezialisierte Anbieter, deren RPO-Geschäft inzwischen die AÜ auf Platz zwei verdrängt hat.“ Dennoch braucht einen langen Atem, wer sich auf RPO einlässt. Man dürfe nicht erwarten, dass der Dienstleister in kurzer Zeit mit den gewünschten Profilen aufwartet, sagt Witt. Weil viel Zeit zur Klärung des Anforderungsprofils benötigt worden sei, gestaltete sich auch bei Voith die Anfangsphase der Kooperation „etwas zäh“.
Deutlich verfehlten die ersten präsentierten Profile die Vorgaben. Doch allmählich nähert man sich an: Inzwischen stimmen nicht nur die vorgelegten Profile in weiten Teilen mit den Anforderungen überein. „Wir führen auch schon Gespräche mit Kandidaten“, sagt Witt. „Der erste so gewonnene neue Mitarbeiter wird zum 1. Juni eingestellt.“ Während der Dienstleister beim RPO ausdrücklich im Namen seines Kunden agiert, erfahren Kandidaten bei der anderen Recruiting-Methode, dem Direct Search, zunächst nichts von der Kundenadresse.
Mit der Direktsuche von Kandidaten im mittleren Management beauftragt Witt ebenfalls spezialisierte Zeitarbeitsfirmen. Im Unterschied zum Headhunter, erklärt Witt, hätten Zeitarbeitsfirmen traditionell viel besseren Zugang zu gewerblichen Tätigkeitsfeldern. „Nicht selten ist, dass sich Ingenieure direkt bei den Dienstleistern bewerben.“ Bei der Auswahl von Zeitarbeitsfirmen im Direct Search trenne sich schnell die Spreu vom Weizen. Grundsätzlich positiv gestalte sich laut Witt die Kooperation mit größeren Firmen, die mehrere Projekte an verschiedenen Standorten realisieren könnten. Schwerer wiege jedoch der Qualitätsanspruch: „Ich erwarte lieber zwei passende als zehn unpassende Profile und tausche deshalb auch Dienstleister aus.“
Halten wir fest: Betrachtet man den Rekrutierungsmarkt insgesamt, liegt die Zeitarbeit offenbar gut im Rennen. Personalberater hingegen geraten zunehmend unter Druck, wie auch TNT-Personalleiter Seifert beobachtet. Gerade im Segment der kleinen und mittleren Einkommen, das Headhunter ignoriert hätten, schnitten sich Zeitarbeitsfirmen ein „größeres Stück vom Kuchen“ ab. Bei der Wahl an Rekrutierungsmethoden via Zeitarbeit ist Seifert noch unschlüssig: Direct Search und RPO kommen für ihn noch nicht in Frage, „obwohl ich das in Zukunft nicht ausschließen würde“.
Winfried Gertz, freier Journalist, München
„Arbeitnehmerüberlassung wird in Zukunft immer noch ein wesentlicher Bestandteil bei der Organisation von Flexibilität für Unternehmen sein. Weitere Personaldienstleistungen werden sich aber bei einem voraussichtlich steigenden Flexibilitätsbedarf der Wirtschaft daneben etablieren. Welche zusätzlichen Geschäftsfelder auf unsere Unternehmen zukommen, stellen wir in einer Artikelserie dar, die jeweils zum Monatsersten auf www.ig-zeitarbeit.de veröffentlicht werden. Die Artikel erscheinen in Kooperation mit der Zeitschrift „Personalwirtschaft“. Der vorliegende Artikel stammt von Winfried Gertz.“