Offener Schlagabtausch über GroKo-Pläne
Marcel Speker, Leiter der iGZ-Kommunikationsabteilung, stellte zunächst die Pläne der Bundesregierung vor: Equal Pay nach neun Monaten sowie eine Höchstüberlassungsgrenze von 18 Monaten. Dabei hätten die Tarifpartner mit den Branchenzuschlags-Tarifverträgen bereits eine Lösung der Lohnangleichung gefunden. „Warum braucht es trotzdem ein Gesetz?“, fragte er in die Runde.
Gesetzliche Mindeststandards nötig
Dass die Branchenzuschläge ein deutlicher Schritt nach vorne seien, gab Roland Matzdorf, Abteilungsleiter „Arbeit und Qualifizierung“ im NRW-Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales, zu. „Wir nehmen die Tarifautonomie in NRW sehr ernst“, betonte er. Es spreche auch nichts dagegen, wenn Tarifpartner über die gesetzlichen Regelungen hinaus weitere Vereinbarungen träfen. „Trotzdem brauchen wir ein Gesetz, um Mindeststandards festzulegen“, positionierte er sich deutlich.
Equal Pay nicht praxistauglich
Dem widersprach Sven Kramer, stellvertretender iGZ-Bundesvorsitzender und Verhandlungsführer in der iGZ-Tarifkommission: „Wenn der Gesetzgeber Equal Pay nach neun Monaten haben möchte, dann frage ich mich ernsthaft, wie das gehen soll.“ Bei den Verhandlungen der Branchenzuschläge habe es alleine drei Tage gedauert, die zahlreichen bestehenden Tarifverträge mit dem iGZ-DGB-Tarifvertrag in Einklang zu bringen. „Das war unglaublich schwierig. Da gibt es unterschiedliche Regionen, unterschiedliche Entgelthöhen, unterschiedliche Eingruppierungssätze“, berichtete er aus seiner Erfahrung. Die Tarifpartner hätten hier in langwierigen Verhandlungsrunden Einigungen erzielt und in zweieinhalb Jahren 15 Tarifverträge abgeschlossen. „Denkt der Gesetzgeber trotzdem, dass wir das nicht im Griff haben?“, zeigte sich der iGZ-Verhandlungsführer verärgert.
Tariföffnungsklausel nur für Kundenbranchen?
Zu mehr Gelassenheit mahnte Rainer Bischoff, Mitglied des Arbeitskreises Arbeit, Gesundheit und Soziales in der SPD-Landtagsfraktion NRW: „Gesetzliche Grundlagen sind doch nichts Neues“, versuchte er zu beruhigen. Tarifverträge könnten immer nur Verbesserungen für die Arbeitnehmer regeln. „Wir wären wesentlich gelassener, wenn wir wüssten, dass es im Gesetz eine Tariföffnungsklausel gibt“, sprach Speker für die Zeitarbeitsbranche. Eine solche Regelung müsse in den Verhandlungen sicher eine Rolle spielen, räumte Bischoff ein, begrenzte jedoch: „Wenn aber im Gesetz direkt drinsteht, dass die Zeitarbeit die Höhe der Höchstüberlassungsdauer selbst regeln darf, wofür brauchen wir dann ein Gesetz?“ Seiner Meinung nach sei eine Tariföffnungsklausel nur dann sinnvoll, wenn die Kundenbranchen über eine abweichende Überlassungsdauer entscheiden, nicht aber die Zeitarbeitsbranche selbst.
Branchenspezifische Lösungen gefunden
Empört reagierte Kramer auf diesen Vorschlag. „Mir fällt überhaupt nicht ein, warum wir nicht mit den zuständigen Gewerkschaften regeln dürfen, was für unsere Branche sinnvoll ist. Warum sollte Herr Iwanowski künftig mit Gesamtmetall über Bedingungen in der Zeitarbeit verhandeln, anstatt mit uns?“, brachte er Christian Iwanowski, Gewerkschaftssekretär der IG Metall NRW und damit Verhandlungspartner der Verhandlungsgemeinschaft Zeitarbeit (VGZ), ins Spiel. Kramer betonte nochmals, dass die Zeitarbeit bei den Branchenzuschlägen mit den jeweiligen Gewerkschaften spezifische Lösungen im allseitigen Einvernehmen ausgehandelt habe. „Und glauben Sie mal nicht, dass die IG Metall alles unterschreibt, was wir möchten“, richtete sich Kramer erneut an Bischoff. „Wir können das nicht einseitig festlegen. Da sitzt eine Gewerkschaft mit am Tisch!“
EU-Recht einhalten
Christian Iwanowski forderte, einen Blick in die Praxis zu werfen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir künftig einen Tarifvertrag mit Gesamtmetall machen“, lenkte er ein. Für ihn sei zunächst relevant, dass überhaupt einmal definiert werde, welche Überlassungslänge normal üblich sei. Schließlich gehe es hier um die Einhaltung von EU-Recht. „Ob das am Ende genau 18 Monate sind, ein paar mehr oder ein paar weniger – das ich mir gar nicht so wichtig“, räumte er ein. Doch erst nach der genauen Definition könne man nach Ausnahmelösungen suchen – „und das Betrieb für Betrieb“.
Zeitarbeitsmarkt in Ordnung
Das sah Hendrik Wüst, Sprecher für Wirtschaft, Mittelstand und Energie der CDU-Landtagsfraktion NRW, anders. „Es geht hier um die Branche, nicht um den Betrieb“, betonte er. Vor dem Hintergrund der konjunkturellen Entwicklung forderte er, den Koalitionsvertrag noch einmal sehr genau anzuschauen. Zeitarbeit sei eine Erfolgsgeschichte beim Akquirieren von Langzeitarbeitslosen und dem Einstieg von frisch ausgebildeten Kräften. Außerdem reguliere sich die Anzahl der Zeitarbeitskräfte von selbst analog zur konjunkturellen Entwicklung. „Diese Tendenz zeigt, dass der Zeitarbeitsmarkt in Ordnung ist“, resümierte er. (ML)