"Nichts ist beständiger als der Wandel"

Und nach den ersten Wochen mit der neuen Bundesregierung zeichnet sich ab, dass es auch kein politisches "Roll back" bei den Zeitarbeitsreformen geben wird. Für die kommenden vier Jahre sind also keine gesetzlichen Einschränkungen für die Zeitarbeit zu erwarten. Mancher mag nun denken, dann könnten wir uns ja zurücklehnen und alles gehe seinen Gang. Genau davor möchte ich warnen. Vier Jahre sind schnell vergangen und die nächste Bundestagswahl kommt bestimmt.


Wir dürfen jetzt zwar einmal tief durchatmen, dann aber müssen wir die Zeit nutzen, die Branche aktiv weiter zu entwickeln. Wir müssen es endlich schaffen, den politischen Widersachern Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Zeitarbeitsbranche muss sich so aufstellen, dass wir gegenüber Forderungen nach erneuter Regulierung bessere und stichhaltige Argumente haben und dass Verunglimpfungen und Stimmungsmache nicht überall auf fruchtbaren Boden fallen - kurz: wir dürfen nicht mehr so angreifbar sein! Die Branchenakteure aller Verbände sollten jetzt die Zeit nutzen, um intensiv am Image und am öffentlichen Erscheinungsbild der Branche zu arbeiten. Der bisherige Eindruck der Zerrissenheit der Branche muss schleunigst korrigiert und mit positiven Inhalten gefüllt werden.


Ein geschlossenes Auftreten gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber den politischen Akteuren ist gefragt. Die Herausforderungen sind nicht kleiner geworden und werden auf unterschiedlichsten Ebenen zu bewältigen sein.


1. Verbands-Ebene


Das Auftreten von drei Branchenverbänden mit unterschiedlichen oder nicht abgestimmten Programmen und Forderungen vermittelt ein Bild der Uneinigkeit und fordert zu politischen Regulierungen geradezu heraus. "Wenn die Branche ihr Schicksal nicht selbst regeln kann, weil sie sich nicht einig ist, dann wird sie eben geregelt!" - so einfach kann das in der Politik gehen. Die Branchenverbände sollten mindestens versuchen, kongruente Ziele zu identifizieren und diese mit einem gemeinsamen Sprachrohr gegenüber der Öffentlichkeit zu vertonen.


Schwierig ist auch die tarifpolitische Situation. Wir wollen den Nachwirkungsstatus des iGZ-Entgelttarifvertrages baldmöglichst beenden. In den anstehenden Tarifverhandlungen mit der Tarifgemeinschaft Zeitarbeit der DGB-Einzelgewerkschaften streben wir baldmöglichst einen vernünftigen Abschluss an, der Planungssicherheit für die Anwender schafft. Aber wir wollen uns auch mit der generellen Weiterentwicklung unseres Tarifwerkes beschäftigen.


Es ist nun über sechs Jahre her, dass wir das Tarifvertragswerk binnen kürzester Zeit "aus dem Boden gestampft" haben. Die Branche hat sich seitdem rasant weiterentwickelt. Das gibt Anlass, unser Tarifwerk einmal darauf zu überprüfen, ob es den aktuellen Bedingungen und vor allem den zukünftigen Anforderungen hinreichend gerecht werden kann. Eine weitere Herausforderung wird spätestens im Mai 2011 Realität, wenn die unwiderruflich eintretende volle EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit in Kraft tritt.


Nach wie vor steht unser Angebot an alle Beteiligten im Arbeitnehmer- und Arbeitgeberlager, gemeinsam einen akzeptablen tariflichen Mindestlohn-Kompromiss als "Schutzschirm" für drohende Wettbewerbsverzerrungen zu schaffen.


2. Arbeitgeber-Ebene


Wir Zeitarbeitsunternehmen wollen uns als attraktive Arbeitgeber immer weiterentwickeln. Wir präsentieren die Zeitarbeit als eine Erwerbsform mit vielen Chancen. Dazu gehört ein fairer Umgang mit Bewerbern und Mitarbeitern hinsichtlich Betreuung und Behandlung ebenso wie ein faires Arbeitsentgelt, das den Leistungen unserer Mitarbeiter gerecht wird.


Dazu gehört auch ein größeres Engagement in der Aus- und Weiterbildung. Hier gibt es einige gute Ansätze, aber es fehlt noch an guten und praktikablen Konzepten, die tatsächlich in der Breite eingesetzt werden können. Das Ziel ist, dass Bewerber und Beschäftigte die Zeitarbeitsbranche als eine echte Alternative mit Chancen und Entwicklungsperspektiven wahrnehmen.


3. Dienstleister-Ebene


Im Zuge der diesjährigen Wirtschaftskrise hat nun wohl fast jedes Unternehmen erkannt, wie wichtig ein flexibles Personalinstrument wie Zeitarbeit für das Überleben von Unternehmen ist. Zum "Atmen" gehört eben auch das "Ausatmen". Diese Erkenntnis dürfte der Zeitarbeit im nächsten Wirtschaftsaufschwung neue Kunden und neues Wachstum bescheren.


Dabei werden die Anforderungen an unsere Personaldienstleistungs-Palette allerdings anspruchsvoller und differenzierter. Aufträge müssen passgenau, sorgfältig und kompetent besetzt werden. Dem fachkundigen Sparten-Spezialisten, regionaler Vor-Ort-Präsenz und professioneller Beratung und Betreuung gehört die Zukunft. Nicht nur Improvisationstalent ist gefragt, sondern belastbare und auf Zuverlässigkeit ausgerichtete Konzepte.


Ein auf Qualität und partnerschaftliche Zusammenarbeit angelegter Personal-Service steigert die Akzeptanz der Zeitarbeit.


Bei alledem gilt: wer sich marktnah und gut positioniert, wird sich auch zukünftig durchsetzen. Wer als Verband die Zeichen der Zeit erkannt hat, gewinnt Zuspruch. Wer in der Politik entschlossen handelt, ist einer Wirtschaftskrise nicht hilflos ausgeliefert. "Nichts ist beständiger als der Wandel" gilt vor allem in einer so schnelllebigen Branche wie der Zeitarbeit. So ist und bleibt es unsere Aufgabe, uns den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen ständig zu stellen.


Holger Piening
Stellvertretender iGZ-Bundesvorsitzender