Mittelstand entdeckt die Zeitarbeit
Der Bundesverband Zeitarbeit (BZA) spricht von mehr als 300.000 Arbeitskräften, die vom Frühsommer 2008 bis zum Mai 2009 von den Zeitarbeitsunternehmen freigestellt wurden. Immerhin schickte die Branche 5,5 Prozent ihrer Arbeitnehmer in die Kurzarbeit, was erst Anfang des Jahres durch die Bundesregierung und die Bundesagentur für Arbeit im Eiltempo durchgebracht wurde. "Ein Erfolg", urteilt BZA-Präsident Volker Enkerts. Ebenfalls neu geschaffen wurde die Möglichkeit, im Rahmen von Kurzarbeit Förderprogramme der Bundesagentur für Arbeit zu nutzen, um Zeitarbeitsmitarbeiter weiter zu qualifizieren.
Qualifizierungsmaßnahmen
"Kaufmännische Mitarbeiter machen jetzt beispielsweise Software-Schulungen, Lagerarbeiter einen Staplerführerschein oder Facharbeiter eine Schulung in Fräs- oder Schweißtechnik, wenn sie nicht in Kundenunternehmen eingesetzt werden können", erklärt Ariane Durian, Geschäftsführerin der Connect Personal Service GmbH in Karlsruhe und Vorstandsvorsitzende des iGZ - Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. So soll in der Krise bereits das Personal für die künftigen hohen Anforderungen der Kundenunternehmen qualifiziert werden.
Nachfrage legt zu
Das zahlt sich mittelfristig für die Zeitarbeitsfirmen aus. Denn die Nachfrage nach Zeitarbeitern legte in den vergangenen anderthalb Monaten wieder zu, wie eine Umfrage unter den 1.100 Mitgliedsunternehmen des Arbeitgeberverbands Mittelständische Personaldienstleister (AMP) ergab. Vor allem Fachkräfte werden händeringend gesucht. Auch wenn in der Automobil- und Zulieferindustrie momentan wenig geht, signalisieren doch bestimmte Branchen, dass sie wieder einstellen möchten: Die Land- und Forstwirt- schaft, das Baugewerbe, der Finanzsektor, der Bergbau, die öffentliche Hand, Soziales und Gesundheit sowie Verkehr und Kommunikation, fand das drittgrößte deutsche Zeitarbeitsunternehmen Manpower heraus.
Gewinner
Und schon jetzt scheint klar, dass die Personaldienstleister die eigentlichen Gewinner sind, wenn die Krise erst einmal überwunden ist. Enkert: "Wenn der Aufschwung einsetzt, werden viel mehr Kundenunternehmen Zeitarbeit nutzen. Gerade jetzt erkennen sie, wie wichtig es ist, flexibel zu sein und mit Zeitarbeitspersonal zu arbeiten." Das ist auch an den Mittelstand adressiert. Zwar haben kleine und mittlere Unternehmen bislang keine Berührungsängste, wenn es um das Thema Zeitarbeit geht. Allerdings nutzten sie das Angebot nicht in dem Umfang, wie es große Konzerne tun oder "sie wissen nicht, wie umfassend die Dienstleistung eines Zeitarbeitsunternehmens sein kann", so Ingrid Hofmann, Geschäftsführerin der I.K. Hofmann GmbH in Nürnberg, nach der Lünendonk-Liste an zehnter Stelle der führenden Zeitarbeitsanbieter in Deutschland.
Stammbelegschaften halten
"Mittelständische Betriebe gehen verantwortungsvoll mit dem Instrument Zeitarbeit um", bringt es Arnd Schumacher auf den Punkt. Der Geschäftsführer der S & W Personaldienstleistungen, Berlin, hat sich auf kaufmännisches und technisches Personal spezialisiert und weiß, dass Mittelständler immer ihre Stammbelegschaft halten und gegebenenfalls durch Arbeitskräfte von Zeitarbeitsdienstleistern aufstocken. Das wird sich nach Ende der Wirtschaftskrise jedoch ändern, sind sich die Branchenexperten sicher. "An flexiblen Modellen kommt keiner mehr vorbei, deshalb wird auch der Mittelstand künftig mehr Zeitarbeit nutzen, um im Falle eines Aufschwungs schnell Personal rekrutieren zu können", meint Hofmann.
Fachkräftemangel
Demografiewandel und Fachkräftemangel sind dabei nur einige Gründe. "Angesichts der oft bemängelten Eigenkapitalquote können sich Mittelständler den Argumenten .gesparte Trennungskosten' und .reduzierter Aufwand bei der Rekrutierung' kaum entziehen", so Hartmut Lüerßen, Partner des Marktforschungsinstituts Lünendonk. Kein Wunder also, dass mittelständische Kundenunternehmen zurzeit massiv von den Großen der Zeitarbeitsbranche umworben werden, beobachtet Lüerßen.
Mittelstand
Bislang war der Mittelstand meist uninteressant, weil diese Geschäfte eher kleinteilig und die Margen bei Großaufträgen mit der Industrie einfach besser waren. Nun hat aber die Wirtschaftskrise die großen Kundenunternehmen viel stärker getroffen als den Mittelstand, sodass Zeitarbeitskonzernen, wie beispielsweise Randstad, Adecco oder Manpower, massiv Aufträge weggebrochen sind. "Da bei vielen Mittelständlern die Auftragslage relativ stabil geblieben ist, versuchen die Zeitarbeitskonzerne verstärkt, in diesem Marktsegment über den Preis ihre Geschäfte zu machen", erklärt Peter Mumme, der nicht nur ein mittelständisches Zeitarbeitsunternehmen betreibt, sondern auch Präsident des AMP ist.
Wirtschaftliches Arbeiten
Eine Versuchung für die kleineren und mittleren Unternehmen, denn auch sie müssen in der Wirtschaftskrise möglichst wirtschaftlich arbeiten. Die Preisangebote mancher Großer stoßen in der Branche auf Widerstand. "Seriöse Zeitarbeitsfirmen machen kein Preisdumping", betont Durian: "Wir punkten bei den Mittelständlern nach wie vor mit einer guten Qualifikation unserer Mitarbeiter und dem Vertrauen durch die jahrelange Zusammenarbeit." Plakativ ausgedrückt: Mittelständler verstehen Mittelständler. Und die sollten bei der Auswahl künftiger Personaldienstleister nicht nur auf den Preis schauen, sondern "die Qualität der Kandidaten und die Geschwindigkeit der Rekrutierung beachten", rät Lüerßen.
Wie Kunden ticken
"Wer ähnliche Unternehmensstrukturen hat, weiß wie seine Kunden ticken", so Mumme und weist die mittelständischen Kunden der Zeitarbeit darauf hin: "Sobald die Aufträge der großen Unternehmen für Personal wieder anziehen, werden Mittelständler bei den Zeitarbeitskonzernen nur noch eine kleine Nummer sein und keine Priorität genießen, was zum Beispiel die Qualität des gesuchten Personals betrifft. Der vermeintliche wirtschaftliche Vorteil früherer Tage kann so zum Bumerang werden." (Uta Müller, ProFirma, September 2009)