„Merz mit e nicht mit ä!“

Der erste Auftritt von Friedrich Merz nach 14 Jahren vor der versammelten Hauptstadtpresse machte deutlich, wie lange der Sauerländer schon der Politik den Rücken gekehrt hat. Nur wenige der Anwesenden haben die rhetorischen Attacken des ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der Union noch live miterlebt. Der 63-Jährige hat nichts verlernt: “Wenn ich sehe, dass in Deutschland wieder der Hitlergruß gezeigt wird, läuft es mir kalt den Rücken runter“, steigt er ein und verspricht, was vielen Wählern ein Bedürfnis ist, er werde die Stimmen der AfD halbieren.

Der älteste der drei Kandidaten um den CDU-Vorsitz wirkt wie eine Verjüngungskur der größten Volkspartei. Begeistert äußern sich Jungunionisten nach den Regionalkonferenzen über den bekennenden Europäer, für den Rechtsstaat kein Schimpfwort ist und der Konservativismus in Deutschland wieder salonfähig machen will. Seine zwei Flugzeuge und die diversen Aufsichtsratsposten, unter anderem auch für Blackrock, einem der größten Vermögensverwalter der Welt, sind hier Aushängeschilder nicht Stolpersteine.

Aufbruch, Kritik, Diskussion - nicht aussitzen, kleinreden, dilettieren, das hat Friedrich Merz erkannt, will die Partei. „Ich merke gerade jetzt in der CDU, wie groß das Bedürfnis nach Austausch ist“, sagt er. Merz hat Mut. Mut auch zu sagen, was gut ist in Deutschland. In großen Teilen gebe es prosperierende Gegenden, gute Schulen, genügend Arbeit: „Es geht uns ja nicht nur schlecht“!

Genau da läuft er in die Falle und zeigt Angriffsfläche. Ihm gehe es gut, suggerieren seine Gegner, aber den anderen? „ Ich habe schon Verständnis wie normale Menschen leben“, sagt der Einkommensmillionär und verweist gern auf seine private Stiftung im Heimatort Brilon. Seine Haltung legen Gegner als Arroganz aus.

Nach jeder der acht Regionalkonferenzen bestimmt Merz die Schlagzeilen, mal mit dem Hinweis, dass Deutschland das einzige Land sei, dass ein individuelles Grundrecht auf Asyl habe, dann mit dem Vorschlag doch bitte den Kauf von Aktien steuerlich zu fördern. Jeder der Vorschläge wird diskutiert, bringt Schlagzeilen und Sendezeit. Dass ihn die Deutschen nicht mögen, nimmt der Wahlkämpfer hin. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage halten ihn nur neun Prozent für sympathisch. Aber für Harmoniestreben war der Sauerländer nie bekannt. Er ist der Kämpfer, der Streit für etwas Konstruktives hält und seine Agenda ist klar: „Das Wichtigste ist jetzt die Europawahl“, beschreibt er das erste Etappenziel und blickt in die Zukunft: „Ich traue uns zu, dass wir bei nationalen Wahlen 40 Prozent erreichen!“ Für ihn wird die Zahl an diesem Freitag nur im ersten Wahlgang reichen, dann muss er die Mehrheit aller 1001 Delegierten in Hamburg auf seine Seite bringen. Es bleibt spannend, wer siegt! Aber auch bei einer Niederlage will er in der Politik bleiben. Eins ist sicher: Seinen Namen muss er dann nicht mehr buchstabieren.

Über die Autorin:

Andrea Resigkeit ist Leiterin des iGZ-Hauptstadtbüros. Sie begleitet und kommentiert die Politik in verschiedenen Funktionen seit vielen Jahren aus unterschiedlichen Blickwinkeln.