Kurzarbeitergeld-Regelung für Zeitarbeit läuft aus
Ab dem 1. Juli gelten für den Bezug von Kurzarbeitergeld (KUG) wieder die Voraussetzungen aus der Zeit vor der Corona-Pandemie. Auch die Ausnahmeregelung für die Zeitarbeit endet damit. Dann wird auch für Zeitarbeitnehmer kein Kurzarbeitergeld mehr bewilligt. Die Zahlen entwickelten sich zuletzt stark rückläufig – im April gab es 786 Anzeigen für Kurzarbeit in der Personaldienstleistung, im Mai noch 468.
Regelmäßig verlängert
Die Bundesregierung wiederholte in den Jahren der Corona-Pandemie immer wieder folgende Meldung: „Der erleichterte Zugang zum Kurzarbeitergeld gilt weitere sechs Monate. Die Bundesregierung hat die Sonderregelung bis Ende Juni 2023 verlängert. Auch Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer können weiterhin Kurzarbeitergeld (KuG) erhalten. Das verschafft Unternehmen und Beschäftigten Sicherheit in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld.“ Der Zugang für Zeitarbeitnehmer zum KuG endet nun und es sieht bisher auch danach aus, als gebe es keine weitere Verlängerung. Die Anträge auf KuG sind stark zurückgegangen, die Politik hat ihren Fokus auf andere Themen – Stichwort Gebäudeenergiegesetz – gelenkt.
Kein Anspruch
Das Auslaufen der Ausnahme verdeutlicht aber einmal mehr, dass Zeitarbeitnehmer, in „normalen Zeiten“ keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) lässt dazu in einem ihrer Merkblätter wissen: „Grundsätzlich von der Förderung ausgeschlossen sind Verleiher, die ausschließlich Abeitnehmerüberlassung betreiben.“
Arbeitnehmer weiterbeschäftigen
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) erklärt auf seiner Homepage dazu: „Wenn Betriebe aus wirtschaftlichen Gründen oder aufgrund eines unabwendbaren Ereignisses die Arbeitszeit vorübergehend verringern und Kurzarbeit anzeigen, zahlt die Agentur für Arbeit bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Kurzarbeitergeld. Hauptzweck des Kurzarbeitergeldes ist es, bei vorübergehendem Arbeitsausfall die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu ermöglichen und Entlassungen zu vermeiden.“ Anspruchsberechtigt laut BMAS sind „[…] alle sozialversicherungspflichtigen ungekündigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wenn mindestens ein Drittel der Belegschaft von einem Arbeitsausfall von über zehn Prozent betroffen ist.“
Beitragsmittel
Finanziert wird das KuG aus Beitragsmitteln der Arbeitslosenversicherung. Das heißt, alle sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten zahlen ein. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, Zeitarbeitskräfte zahlen Monat für Monat im Rahmen der Sozialversicherungsbeiträge in die Arbeitslosenversicherung ein, ohne grundsätzlich Anspruch auf diese Versicherungsleistung zu haben. Das Ausmaß dieser – aus meiner Sicht offensichtlichen – Ungleichbehandlung wird noch größer beim Blick in die BA-Statistik. 95 Prozent der Zeitarbeitnehmerinnen und -nehmer sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt – mehr als in der Gesamtwirtschaft.
Branchenüblicher Arbeitsausfall
Begründet wird der Ausschluss der Förderung von Zeitarbeitsunternehmen und ihren Beschäftigten auch damit, dass ein Arbeitsausfall bei den Unternehmen „branchenüblich“ sei. Nun könnte man im heutigen Zeitalter der Dauerkrise – von der Corona-Pandemie über den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, bis hin zu den immer spürbarer werdenden Folgen des Klimawandels – grundsätzlich diskutieren, was „branchenüblich“ bedeutet und wie viel Gestaltungsmacht Zeitarbeitsunternehmen anlässlich der Betroffenheit ganzer Kundenbranchen tatsächlich haben. Aber allein die Tatsache, dass seit der Finanzkrise 2008/09 jede neue Krise eine Öffnung und Verlängerung von Sonderreglungen nötig gemacht hat, offenbart doch, dass die bestehenden Regeln in der Praxis ins Leere laufen. Krise ist quasi Normalzustand.
Einzahlungspflicht und Auszahlungsanspruch
Viel relevanter ist jedoch die Frage, ob es rechtlich überhaupt zulässig ist, dass Zeitarbeitnehmer grundsätzlich eine Leistung mitbezahlen, auf die sie keinen Anspruch haben. Eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft (SOKA-BAU) lässt aufhorchen. Hier ging es um die Frage, wenn der Verleiher am Urlaubskassenverfahren für seine Zeitarbeitskraft teilnimmt, kann er dann auch die Erstattung von gezahltem Urlaubsentgelt verlangen? Das BAG jedenfalls ist dieser Auffassung und verkündete Ende 2021: „Der Verleiher ist nicht nur verpflichtet, Sozialkassenbeiträge an die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft zu leisten, sondern kann auch die Erstattung von an den Leiharbeitnehmer gezahltem Urlaubsentgelt verlangen.“ Zwar ging es hierbei um eine spezifische Fragestellung, aber die Systematik beider Bereiche – Einzahlungspflicht und Auszahlungsanspruch – ist vergleichbar.
Kompromisslösung
Dennoch, so verlockend wie eine Aufhebung der Ungleichbehandlung beim KuG per Richterspruch auch klingen mag, so ungewiss ist der Ausgang zugleich. Zielorientierter und allemal politisch versierter wäre die Suche nach einer Kompromisslösung. Denkbar wären etwa Sonderregelungen für die Branche, wie beispielsweise die Huckepack-Lösung, bei der das KuG für Zeitarbeitnehmer an die Einsatzunternehmen gekoppelt wird. Damit wäre klar, dass kein branchenübliches Risiko besteht, sondern es sich um ein überlagerndes wirtschaftliches Problem handelt. Eine weitere Lösungsmöglichkeit wäre eine generelle Anhebung der Schwellenwerte für Zeitarbeitsunternehmen, indem beispielsweise der Anteil der Beschäftigten mit Entgeltausfall und die Höhe des Entgeltausfalls anders gestaffelt werden.
Viele Wege sind denkbar. Mit dem wohl endgültigen Auslaufen der KuG-Sonderregelung für Zeitarbeitnehmer ist ein guter Zeitpunkt gekommen, um darüber zu sprechen.