Körzell: "Zeitarbeit keine Schmuddelbranche mehr"
Verwundert zeigte sich Stolz zu Beginn der Diskussion: „Dass gerade jetzt die Zeitarbeit zum ersten Mal wörtlich im Koalitionsvertrag erwähnt wird, kann ich nicht nachvollziehen.“ Die Zeitarbeit sei aktuell gesetzlich wie tariflich so stark reguliert wie nie zuvor. Dieser Tatsache stimmte Körzell zu: „Die Zeitarbeit ist keine Schmuddelbranche mehr, das gab es in der Vergangenheit.“ Seitdem habe sie eine gute Entwicklung genommen. „Inzwischen ist das Problem mehr ‚Leiharbeit gegen feste Beschäftigung‘. Und da müssen Sie sich die Frage gefallen lassen, inwieweit es hier in der Vergangenheit auch übertrieben wurde“, spielte er darauf an, dass seiner Meinung nach in einigen Betrieben die Zeitarbeitsquoten zu hoch seien.
„Sonst fährt die Zeitarbeit gegen den Baum“
Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung festgehalten, dass Zeitarbeitskräfte nach neun Monaten denselben Lohn erhalten sollen wie die Stammbeschäftigten. Für inzwischen elf Branchen regeln Zuschlagstarifverträge schon jetzt eine Lohnangleichung, die erste Erhöhung gibt es teilweise bereits nach vier Wochen. Wolf sieht daher keinen gesetzlichen Handlungsbedarf, hat aber auch keine Angst vor einem Gesetz – sofern dieses eine Tariföffnungsklausel enthält. „Ich sehe keinen Widersprich zwischen den Forderungen im Koalitionsvertrag und dem Weiterbestehen der Branchenzuschläge“, erläuterte der BDA-Jurist. Das sei für ihn auch ein Gebot der Tarifautonomie. Die Basis für ein gesetzliches Equal Pay dürfe aber lediglich der tarifliche Grundlohn der jeweiligen Branchen sein. „Sonst fährt die Zeitarbeit gegen den Baum“, sah Wolf die Branche andernfalls im Kern bedroht.
Beschäftigungserfolge
Körzell verstand nicht, warum die Zeitarbeitsbranche ein gesetzliches Equal Pay als solch großes Problem wahrnimmt. „Es bricht davon doch keine Welt zusammen. Vor 2004 galt Equal Pay doch bereits nach zwölf Monaten“, erinnerte er. Ebensolches gelte für die geplante Beschränkung der Höchstüberlassungsdauer. „Leiharbeit mit 24 Monaten hat doch auch funktioniert!“ Diese Argumente ließ Wolf nicht gelten. „Bis 1969 war die Zeitarbeit in Deutschland verboten – hat ja auch funktioniert“, schmunzelte er. „Aber im Ernst: Alle Reformschritte sind ausgelöst worden, weil man die positiven Beschäftigungserfolge der Zeitarbeit nutzen wollte. Nun haben wir sie – da kann es keine Lösung sein, den Hahn wieder dicht zu drehen.“ Die positive Wirkung der Zeitarbeit auf die Wirtschaft könne nicht wegdiskutiert werden. Zwei Drittel der Zeitarbeitskräfte seien zuvor beschäftigungslos gewesen, viele sogar langzeitarbeitslos.
Stefan Sudmann, Leiter des iGZ-Referates Arbeits- und Tarifrecht, debattierte mit Roland Wolf, Abteilungsleiter Arbeits- und Tarifrecht in der BDA, Stefan Körzell, Mitglied im DGB-Bundesvorstand, und Werner Stolz, iGZ-Hauptgeschäftsführer (v.l.).
Erste-Hilfe-Koffer mit Tarifverträgen
Symbolischen Charakter hatte das Geschenk, das Stolz dem DGB-Vertreter als Dank für seine Diskussionsteilnahme überreichte. In einem Erste-Hilfe-Koffer überreichte er Körzell die gesammelten Tarifverträge der Zeitarbeitsbranche. „Diese gilt es zu schützen und weiterzuentwickeln“, betonte der iGZ-Hauptgeschäftsführer und verwies auf den Aufdruck des Koffers: „Zeitarbeit – Vitamin für Wirtschaft und Arbeitsmarkt“. Mit einem Schmunzeln fügte er hinzu: „Pflaster sind übrigens auch drin – falls wir mal wieder heftig diskutieren.“ (ML)