"Keine Tarifzensur ausüben"

Der Referentententwurf zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) auf Basis der Koalitionsvereinbarungen stieß bei den Arbeitgeberverbänden auf breite Ablehnung. Im Interview erläutert die iGZ-Bundesvorsitzende Ariane Durian die Hintergründe dieser Ablehnung und definiert die Unterschiede zwischen Entwurf und gelebter Praxis in der Zeitarbeitsbranche.

Der lang erwartete Diskussionsentwurf zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes liegt seit dieser Woche auf dem Tisch. Wie fällt Ihre erste Reaktion aus?

Ariane Durian: Dieser Gesetzesentwurf ist kein großer Wurf und geht über den Koalitionsvertrag hinaus. Wer mit der Branchenpraxis befasst ist, kann nur mit dem Kopf schütteln. Der Gesetzesentwurf in dieser Form wird zu überbordender Bürokratie, Rechtsunsicherheit und letztlich auch zu Arbeitsplatzverlusten gerade für die Menschen führen, die die Zeitarbeit für nachhaltige neue Integrationschancen am dringendsten brauchen würden.

Was meinen Sie konkret?

Durian: Gesetze müssen einen Nutzen haben und transparent sein. Was die Bundesregierung hier plant ist alles andere als transparent oder nützlich für die Mitarbeiter in der Zeitarbeit. Zukünftig bekommen Mitarbeiter, wenn keine Branchenzuschlagstarife gelten, zunächst neun Monate lang die Vergütung entsprechend dem Tarifvertrag der Zeitarbeit. Danach erhält der Mitarbeiter, wenn der Einsatz weiter Bestand hat, die gleiche Bezahlung wie ein vergleichbarer Mitarbeiter im Einsatzbetrieb – es sei denn, es gilt weiterhin ein Branchenzuschlagstarif, der aber dann nur zwölf Monate gelten darf. Danach wird dann noch die letzte Equal Pay-Lücke im Sinne der gesetzlichen Neudefinition geschlossen. Wenn man das alles korrekt umgesetzt hat, wird der Einsatz nach 18 Monaten zwangsweise beendet und der Mitarbeiter fällt wieder auf den Zeitarbeitsgrundtarif zurück - es sei denn, es gibt abweichende Tarifregelungen im Kundenunternehmen. Das führt nicht nur zu bürokratischen Herausforderungen in der Verwaltung und Verwirrung bei den Mitarbeitern. Es führt auch zu Unsicherheiten, weil die Frage, wie die Gleichbezahlung tatsächlich zu berechnen ist, viele Unwägbarkeiten mit sich bringt.

Was fordern Sie an der Stelle?

Durian: Der Gesetzgeber soll die Tarifvereinbarungen in der Branche respektieren und keine Tarifzensur ausüben. Denn auf der einen Seite werden die Tarife der Einsatzbranchen hervorgehoben und sie sollen Voraussetzung dafür sein, dass die maximale Überlassungsdauer von 18 Monaten tariflich ausgesetzt werden kann. Auf der anderen Seite sollen unsere Branchenzuschlagstarife nur ein Herausschieben des Equal Pay-Grundsatzes um drei Monate, von neun auf zwölf Monate, erlauben. Diese Konstruktionsfehler müssen korrigiert werden.

Sie sagten vorhin, dass Sie unter Umständen auch Arbeitsplatzverluste erwarten. Warum?

Durian: Frau Nahles hat gesagt, die Einführung der maximalen Überlassungsdauer von 18 Monaten wird dazu führen, dass die Mitarbeiter danach vom Einsatzbetrieb übernommen werden. Das sind aber unrealistische Wunschvorstellungen. Tatsächlich wird es aber wohl so sein, dass sich die Unternehmen bei längerfristigem Bedarf Gedanken darüber machen werden, wie sie ihre Flexibilitätsbedürfnisse stattdessen in weniger sicheren Beschäftigungsformen als Zeitarbeit organisieren.

Wie wird es nun weitergehen?

Durian: Es liegt nun erst einmal ein Referentenentwurf aus dem zuständigen Ministerium auf dem Tisch. Nun muss sich die Bundesregierung in der Ressortabstimmung und anschließend im Kabinett auf einen Entwurf einigen. Wenn diese Abstimmung erfolgt ist, geht der Entwurf in den Bundestag und wird dort beraten. Und dann gilt das Struck´sche Gesetz, dass kein Gesetz so den Bundestag verlässt, wie es als Entwurf hinein gekommen ist. Insofern haben wir Gelegenheiten, hier mit guten Argumenten Überzeugungsarbeit zu leisten. Letztlich haben die Koalitionsparteien immer gesagt, dass sie keinen Regelungen zustimmen wird, die über die Vorgaben des Regierungsvertrages hinausgehen. Ich glaube übrigens, dass auch das Bundesarbeitsministerium von einer intensiven und längeren inhaltlichen Beratung dieses Entwurfes ausgeht, denn sie haben als möglichen Termin des Inkrafttretens erst den 1. Januar 2017 vorgesehen. Diese Zeit wollen und werden wir zusammen mit vielen Mitstreitern aktiv für weitere Aufklärungsarbeit nutzen.