Ich verstehe Dich nicht − Kommunikation der Generationen im Recruiting
Seit einiger Zeit werden die unterschiedlichen Generationen nach Buchstaben kategorisiert. Ich selbst stamme aus einer Zeit, als es noch die Generation Golf gab, auf sie folgte sehr bald die Generation X, was sich dann immer stärker, wissenschaftlich und medial begleitet, manifestiert hat.
Schon vor dieser Definition der Geburtsjahrgänge war ein wesentlicher Punkt in der Betrachtung der unterschiedlichen Generationen stets die Kommunikation mit früher geborenen Menschen oder „Erwachsenen“. Fast naturgemäß verstand die ältere Generation nicht so recht, was die junge tat oder sagte. Dazu habe ich im Rahmen von Büchern zur Kindesentwicklung einmal gelesen, dass das völlig normal ist und zur Entwicklung der eigenen Identität beiträgt. Junge Generationen müssen also die älteren fast zwangsläufig nicht verstehen.
Aufeinandertreffen der verschiedenen Altersstufen
Nun geht es bei der Rekrutierung allerdings eher um Erwachsene und deren Kommunikation und doch gibt es auch hier ein Aufeinandertreffen der verschiedenen Altersstufen, gepaart von tatsächlichen oder vermeintlichen Kommunikationsproblemen. Dazu kommt in der Rekrutierung das Spannungsverhältnis aus einem dringenden Arbeitskräftebedarf der Unternehmen auf der einen und einer Generation von Talenten, die es sich genau aussuchen kann und will, wem sie ihre kostbare Arbeitszeit zur Verfügung stellt, auf der anderen Seite.
Von Wissenschaftlern, die sich in diesem Bereich auskennen, ist verschiedentlich zu hören, dass sich die ältere Generation heutzutage eher der jüngeren anpassen müsse. Die Lage am Arbeitsmarkt und die besonderen Umstände des Heranwachsens in einer Zeit des Überflusses und der digitalen Welt würden etwas anderes gar nicht zulassen.
Junge Menschen in alternden Bevölkerungen
Als Vertreter einer älteren Generation bin ich schon fast reflexartig geneigt, genau das Gegenteil zu behaupten. Warum soll ich mich anpassen, wer einen Job sucht, muss sich doch auch auf mich zu bewegen? Sicher liegt die Wahrheit wie immer irgendwo in der Mitte. Doch ich möchte dazu einige Denkanstöße geben. Was mir in der Diskussion um die Kommunikation der Generationen immer etwas zu kurz kommt, ist die Tatsache, dass zwar die jungen Menschen heute in den Arbeitsmarkt drängen (oder auch nicht), aber nach wie vor die Bevölkerung in den meisten europäischen Ländern immer älter wird.
In den (sozialen) Medien und der Digitalbranche werden naturgemäß die jüngeren Leute als Maßstab herangezogen, wobei übersehen wird, dass damit der größere Teil der Bevölkerung außen vor bleibt, bzw. nicht richtig adressiert wird. Wenn man dann der älteren Generation noch sagt, dass sie sich doch bitte mehr ins Zeug legen soll, damit sie die jüngere besser versteht, sind Missverständnisse vorprogrammiert. Erst recht, weil die Erfahrungen und Kompetenzen der älteren Generationen durch den demographischen Wandel in Zukunft noch länger benötigt werden dürften.
Natürlich ist es unbedingt notwendig, mehr Digitalkompetenz aufzubauen. Wenn man aber von Älteren fordert, sich mehr auf die „Jugend“ einzulassen, sollte das andersherum nicht genauso gelten? Ein Wissenschaftler hat zu diesem Thema gesagt, dass die heutigen Generationen mit den alten Glaubenssätzen gar nichts mehr anfangen könnten und man diese ihnen gegenüber auch bloß nicht anbringen sollte. Diese Aussage kann ich so aber nicht stehen lassen, gerade wenn diese berühmten Glaubenssätze oder Sprichworte eigentlich überwiegend einen wahren Kern haben.
Hohes Maß an Engagement benötigt
Hier ging es um einen meiner Lieblingssätze „Von Nichts kommt Nichts“. Ohne jetzt in philosophische abschweifen zu wollen ist dieser Satz für mich ein Beleg dafür, dass man für jede Art von Erfolg ein hohes Maß an Engagement benötigt. Es kam dann die Diskussion auf, dass die heutige Generation das nicht verstehen würde, weil es für sie ja alles so einfach sei und man sich vielleicht gar nicht mehr anstrengen müsse.
Hier liegt meiner Meinung nach ein Kern des Kommunikationsproblems zwischen heutigen und älteren Generationen. Denn am Arbeitsmarkt gibt es Menschen, die komplett ohne das Internet aufgewachsen sind und einen vollständig anderen Arbeitsmarkt erlebt haben. Als ich anfing zu studieren, gab es zu Beginn der neunziger Jahre an der Uni Hamburg einen Computerraum mit 15 Internet-PCs für 40.000 Studierende.
Gleichzeit haben heutige Generationen eine Welt ohne das Internet gar nicht mehr kennengelernt. Jeder sagt ihnen, dass es einen Arbeitnehmermarkt gibt und jeder einen Job bekommen wird. Woher sollen sie die Erkenntnis haben, dass man sich für einen Job anstrengen oder zumindest bewegen sollte?
Durch die Digitalisierung und vor allem den Aufstieg der sozialen Medien, kommt es zudem vielen Talenten heute so vor, als habe jeder die Möglichkeit, ja fast schon das Recht, alles zu erreichen, erfolgreich zu sein und quasi unbegrenzt Dinge fordern zu können.
Ausgeblendet wird dabei, dass mit Blick auf die Vergangenheit eigentlich nie irgendjemand ohne disziplinierten und überdurchschnittlichen Einsatz wirklich erfolgreich geworden ist. Ganz unabhängig davon, welche technischen Möglichkeiten es gab.
Webseiten und Onlineshops aus dem eigenen Wohnzimmer
Auf die Sicht eines heute Zwölfjährigen gemünzt, hat selbst ein „Gaming Streamer“ auch Stress und viel zu tun. Ohne dauernden Content, neue Ideen und permanentes Training würde er nicht nach ganz oben kommen. Das gilt sowieso für jede Art von Sport, aber natürlich erst recht für den Job oder die Geschäftswelt.
Diese Erkenntnis wird allerdings durch die Tatsache überlagert , dass die Möglichkeiten, mit einem eigenen Weg erfolgreich zu werden, heute mehr Menschen zugänglich sind. Die Digitalisierung hat es möglich gemacht, dass der Start und der Weg dahin generell einfacher geworden sind.
Aus dem sprichwörtlichen Wohnzimmer kann man heute ohne technische Probleme Webseiten oder Onlineshops betreiben und Content in die weite Welt pusten. Dabei wird aber dann fälschlicherweise eine sich veränderte Arbeitswelt, die vor allem den Arbeitsort flexibler gemacht hat, mit einer verringerten Notwendigkeit des persönlichen Einsatzes gleichgesetzt.
Dabei bedeuten Homeoffice oder mobiles Arbeiten ja nicht automatisch, dass man weniger arbeiten muss, um seine Ziele zu erreichen. Salopp formuliert sitzt man eben nur woanders, weil es technisch möglich ist.
Wenn man aber die wirklich erfolgreichen Menschen in einer bestimmten „Blase“ mit den übrigen vergleicht, die eigentlich haargenau identisch unterwegs sind, aber weniger Erfolg haben wird klar, es kann eben doch nicht jeder ganz nach oben kommen. Neben dem persönlichen Engagement gehört viel Glück dazu. Ohne Fleiß hat aber das Glück selten eine Chance.
Was hat das nun alles mit dem Recruiting zu tun?
Nun, ich bin der Meinung, dass Kommunikation auf jeden Fall der Schlüssel für gutes Recruiting ist. Ein guter Rekrutierender kann mit Talenten unterschiedlichen Alters und Qualifikation stets auf Augenhöhe sprechen und ist in der Lage, sich auf verändernde Gesprächspartner einzustellen.
Andersherum sollten wir aufhören so zu tun, als müsse die Bewerbung oder später ein Job komplett ohne Aufwand und Engagement möglich sein. Keine CVs mehr, Anschreiben sind old school, und am besten entsteht der Arbeitsvertrag irgendwie von alleine. Damit suggerieren wir doch, dass es auch im Job so weitergeht, was selten den Tatsachen entspricht.
Daher müssen wir als Rekrutierende auch keine Angst davor haben, bei jungen Talenten den falschen Ton zu treffen. Denn so wie wir uns an die Digitalisierung und unterschiedliche Gegenüber anpassen müssen, sollten sich die Talente andersherum ebenso bemühen und ihren Teil dazu beitragen, dass eine vernünftige Kommunikations- und Motivationsbasis geschaffen wird.
Nur mit einem wertschätzenden Miteinander, unabhängig von Generationen-Bashing schaffen wir das beste Ergebnis für alle Beteiligten. Das werden irgendwann auch die aktuellen Generationen lernen.
Und immer dran denken, „Von Nichts kommt Nichts“!