Höchstüberlassungsdauer vor dem EuGH

Im Interview „Auf 100 Worte mit…“ spricht Rechtsanwalt Dr. Guido Norman Motz über die bevorstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Höchstüberlassungsdauer. Allerdings hat der Jurist pro Frage maximal 100 Worte zur Verfügung. Ausführlicher spricht der Jurist in seinem Vortrag beim Potsdamer Rechtsforum am 6. Oktober über das Thema.

Das Bundesarbeitsgericht wird zur abweichenden Überlassungshöchstdauer nach den Tarifverträgen für die Metall- und Elektroindustrie (TV LeiZ) entscheiden müssen - worum geht es in den sich widersprechenden Urteilen des LAG Baden-Württemberg?

Es geht bei den Urteilen des LAG Baden-Württemberg um die Rechtsnatur der Regelung zur Verlängerung der Überlassungshöchstdauer im TV LeiZ BW, also Betriebsnorm vs. Inhaltsnorm. Dies hängt auch vom Verständnis des § 1 Abs. 1b AÜG ab, der die gesetzliche Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten sowie die Verlängerungsmöglichkeit durch Tarifverträge der Kundenseite regelt. Im Ergebnis stellt sich somit die Frage, ob die Verlängerung der Überlassungshöchstdauer vom Personaldienstleister nur genutzt werden kann, wenn der Mitarbeiter IG Metall-Mitglied ist. So hat eine Kammer des LAG Baden-Württemberg entschieden. Wäre dies richtig, könnte für Nicht-Gewerkschaftsmitglieder keine Verlängerung über die gesetzlichen 18 Monate hinaus erfolgen.

In erster Linie wären bei einem Verstoß gegen die gesetzliche Überlassungshöchstdauer doch die Einsatzbetriebe der Metall- und Elektroindustrie betroffen, oder bestehen auch generelle Risiken für den Personaldienstleister?

Bei einem Verstoß gegen die (gesetzliche) Überlassungshöchstdauer entsteht ein Arbeitsverhältnis zum Kunden. Auf dieses kann der Mitarbeiter sich auch noch nach vielen Jahren berufen, da eine Verwirkung in der Praxis regelmäßig ausscheidet. Der mögliche „Schaden“ liegt somit in erster Linie beim Kunden, der einen neuen Mitarbeiter hat. Allerdings kann sich für den Personaldienstleister im „worst case“ eine Haftung aus dem AÜV ergeben. 

Daneben wäre ein Verstoß ein Indiz für die Unzuverlässigkeit des Personaldienstleisters (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG) und könnte mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 € geahndet werden (§ 16 Abs. 1 Nr. 1e) AÜG). 

Wie ist aktuell der Europäische Gerichtshof zur deutschen Überlassungshöchstdauer und den Möglichkeiten zur Abweichung ins Spiel gebracht worden? 

Das LAG Berlin-Brandenburg hatte im Mai 2020 dem EuGH verschiedene Fragen zur Auslegung der Zeitarbeitsrichtlinie im Zusammenhang mit dem Merkmal „vorübergehend“ vorgelegt. Hintergrund war der Versuch eines Zeitarbeitnehmers sich bei der Daimler AG wegen seines Einsatzes im Mercedes-Benz Werk Berlin für die Dauer von mehr als 55 Monaten einzuklagen. 

Aus der Antwort des EuGH könnten sich Auswirkungen auch für die seit 2017 geltende Überlassungshöchstdauer und generell für die Abweichungsmöglichkeit durch Tarifverträge ergeben. Aktuell wurde am 9. September 2021 die Einschätzung des Generalanwalts zu diesen Fragen veröffentlicht. Dies ist somit eine erste Einschätzung für die bald „drohende“ Entscheidung des EuGH. (SR)

Über den Autor

Sebastian Reinert

Sebastian Reinert ist stellvertretender Leiter des Fachbereichs Arbeits- und Tarifrecht. Er berät Verbandsmitglieder in Arbeits- und tarifrechtlichen Fragestellungen und führt Schulungen und Seminare zu diesen Themen durch.


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