Fundamentale Herausforderungen meistern

Kein Zweifel, die Coronakrise hat die Digitalisierung beschleunigt, waren sich die Teilnehmer der Gesprächsrunde zum Thema „Zukunftsthemen der Zeitarbeitsbranche beim digitalen iGZ-Kongress „PERSONAl.PRAXIS.NORD.“ einig. Vor rund 130 Zuhörern diskutierten sie über mögliche und nötige Entwicklungen der Branche.

Moderiert wurde die Runde von Marcel Speker, Leiter iGZ-Fachbereich Kommunikation und Digitalisierungsbeauftragter. Thomas Ball (Lünendonk) resümierte aus dem bisherigen Verlauf der Coronakrise und deren Auswirkungen, „gut aufgestellte Zeitarbeitsunternehmen haben sich auch in diesem schwierigen Umfeld gut geschlagen.“ Wer nah am Kunden bleibe, starte, so Ball, nach der Krise auch wieder auf stabilem Niveau. Besonders wichtig sei es für die Zeitarbeitsunternehmen, digital effizient und nah am Kunden zu sein. Für den Bereich Rekrutierung sei es zudem wichtig, ganz nahe am Markt zu bleiben.

Qualifizierung

„Außerdem wird alles, was neben der klassischen Personaldienstleistung liegt, zunehmend wichtiger – also etwa die Qualifizierung der Mitarbeiter, die Digitalisierung des Unternehmens und stärkere Investitionen in das Thema Beratung“, betonte der Experte. Zeitarbeitsunternehmen können laut Ball ihre regionalen Stärken ausspielen, müssen sich dafür aber auch breiter aufstellen. „Spontane Anfragen nach Personal wird es auch in Zukunft geben, trotz starker Einschränkungen der Personaldienstleistung. Neue Sharing-Modelle werden zunehmen, Mitarbeiter werden in Absprache mit den Kundenunternehmen gezielt qualifiziert und später auch vom Kunden übernommen“, prognostizierte der Diskutant.

Ganzheitliche Prozesse

Er schätze auch, dass ganzheitliche Prozesse gefragt sein werden. Der klassische Mittelständler schätze es sehr, wenn er qualifiziertes Personal nutzen könne, das schon gezielt für den jeweiligen Job geschult sei. „Ich denke, dass Zeitarbeit in den nächsten fünf Jahren individueller und kreativer wird. Das ist kein Markt, der komplett neu erfunden wird, aber Zeitarbeit wird als Wirtschaftsfaktor am Standort Deutschland wichtig sein und bleiben“, richtete Ball den Blick nach vorn.

Betriebsdatenerfassung

Mark Linkert (Landwehr) prognostizierte, es werde wieder mehr zentralisiert. Der Hauptfokus liege dabei auf der Betriebsdatenerfassung. „Diese Abläufe müssen weiter digitalisiert werden“, lautete seine Forderung dazu. Diese Entwicklung laufe schon seit längerer Zeit im Hintergrund. Das funktioniere aber nur im gegenseitigen Austausch, um eine große Lösung zu realisieren. In diesem Zusammenhang betonte Linkert, auch Arbeitsuchende setzen zunehmend auf digitale Angebote. „Sie wollen eine Plattform, möglichst via Smartphone, wo sie direkt ein passende Jobangebot finden und kurzfristig darauf reagieren können“, so das Fazit seiner Beobachtung.

Gesamtportfolio

Auch das werde für Zeitarbeitsunternehmen ein Bestandteil des Gesamtportfolios sein müssen. „Wir haben schon zeigbare Lösungen und werden im nächsten Jahr die ersten Kunden haben, die damit arbeiten werden“, kündigte er für sein Unternehmen an. Dafür, so Linkert, haben sich vier Unternehmen zusammengeschlossen, die daran arbeiten. Die Coronakrise sei ein großer Treiber: „Was wir sonst in einem Jahr verkaufen, haben wir 2020 innerhalb von vier Wochen verkauft“, gewährte er Einblick in die Auswirkungen. „Wir führen inzwischen sehr viele Gespräche digital, aber persönliche Gespräche sind nach wie vor notwendig, um wichtige Entscheidungen treffen zu können“, mahnte er zu besonnenem Einsatz neuer Medien.

Wachsender Stellernwert

Der Stellenwert der Zeitarbeitsbranche werde weiter wachsen. Linkert: „Flexibilität wird noch wichtiger, und die Zeitarbeit wird es auch sein. Zeitarbeit wird viel digitaler werden, als sie es heute ist. Viele Prozesse, wo es auch um gesetzliche Anforderungen und um Kommunikation geht, werden digitaler.“

Megatrends

Der iGZ-Bundesvorsitzende Christian Baumann machte Megatrends im Markt aus. Wesentlicher Baustein sei die Digitalisierung der Prozesse, bestätigte auch er und nannte direkt ein Beispiel für die praktischen Auswirkungen: „Ich habe kein Telefon mehr auf dem Tisch.“ 

Innovativ orientieren

Wettbewerbsfähigkeit im Unternehmenswettstreit herzustellen. „Firmen, die schnell und flexibel Themen anfassen haben einen Vorteil“, erläuterte Baumann. Die Rückgänge in der Nachfrage nach Zeitarbeit seien existenzbedrohend, die Verluste werde die Branche nicht mehr so schnell aufholen können, nannte er Gründe, sich innovativ zu orientieren. Die Zeitarbeit komme jetzt in ein Fahrwasser, wo eventuell der Peak erreicht sei, und das sei eine echte Herausforderung. Baumann: „Wir müssen überlegen, in welchem Portfolio und mit welchen Schwerpunkten wir in der Dienstleistung unterwegs sein wollen.“ Es frage sich, ob die aktuellen Strukturen so erhalten werden können.

Professionalisierung

Der iGZ-Bundesvorsitzende attestierte den Unternehmen allerdings ebenfalls, dass sie zunehmend professioneller werden, was eine Perspektive für die Zukunft sein könne. „Innovative Prozesse müssen gelernt werden, um sich mit hoher Frequenz im Markt zu platzieren. Neue Segmente wie Personalberatung müssen erschlossen werden“, erklärte Baumann. Die IT werde hier Mittel zum Zweck sein. Auch auf diesem Feld gelte es, sich zu Profis zu entwickeln. Baumann: „Die Geschäftsprozesse werden digitaler, auch weil wir es wollen, können und brauchen. Die Branche wird mehr Kompetenz und Nachhaltigkeit entwickeln. Kooperationen werden langfristiger aufgestellt, das sind fundamentale Herausforderungen. Die Zeitarbeit muss in Zukunft zielgruppenorientierter sein – was gewollt wird, müssen wir liefern.“ (WLI)