Flexibilität statt Korsettstangen gefordert
„Es ist schon paradox“, fasste Werner Stolz, Hauptgeschäftsführer des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ), zusammen: „Alle Welt diskutiert darüber, dass Arbeit flexibler, vernetzter und digitaler wird. Und genau jetzt muss die Zeitarbeitsbranche gegen ein Gesetz kämpfen, dass die Branche weiter reguliert, bürokratisiert und dadurch Flexibilität einschränkt.“
Beim 5. Potsdamer Rechtsforum ging er in seinem Grußwort vor rund 300 Teilnehmern auf die geplante Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ein. „Die Politik nimmt kleine Einzelfälle zum Anlass, der ganzen Branche neue Hürden aufzubürden“, ärgerte er sich.
Nötige Beinfreiheit lassen
In der Vergangenheit hätten die Tarifpartner immer wieder bewiesen, dass sie in der Lage seien, Fairness und Flexibilität zusammenzubringen. Der Gesetzgeber hingegen schaffe immer neue starre Korsettstangen. Stolz forderte die Bundesregierung auf, den Tarifpartnern die nötige Beinfreiheit zu lassen und die Tarifautonomie nicht weiter einzuschränken.
Verfassungsrechtlichkeit
Dass die Zeitarbeitsbranche selbst keine Tarifverträge abschließen darf, mit denen von der Höchstüberlassungsdauer abgewichen werden kann, sei nicht akzeptabel. Der derzeitige Gesetzentwurf gestatte dies nur den Kundenbranchen. Prof. Dr. Martin Henssler und Prof. Dr. Clemens Höpfner beschäftigten sich in einem Gutachten mit der tarif- und verfassungsrechtlichen Zulässigkeit dieser auf die Sozialpartner der Einsatzbranchen begrenzten Tariföffnungsklausel. Ergebnis der beiden Rechtsexperten: In dieser Form sei die Klausel nicht mit der Verfassung vereinbar.
Auswirkungen auf Berlin-Brandenburg
RA Dr. Hans-Michael Dombrowsky, Geschäftsführer des Allgemeinen Verbands der Wirtschaft Berlin-Brandenburg, skizzierte in seinem Grußwort, wie sich die aktuelle AÜG-Diskussion auf den Wirtschaftsbereich Berlin-Brandenburg auswirkt. Derzeit blicke der Verband auf eine erfreuliche Entwicklung der Arbeitsmarktzahlen. Sowohl in Brandenburg als auch in Berlin sei die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten deutlich gestiegen. In Berlin sei dafür vor allem die wachsende Anzahl Start-Ups verantwortlich. Die geplante AÜG-Reform werfe jedoch Fragen auf und werde die Arbeitgeber vor Herausforderungen stellen.
Equal Pay
Viele Mitgliedsverbände – darunter auch der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen – hatten sich eine gesetzliche Definition von Equal Pay erhofft. Diese sei bislang ausgeblieben, was einige Probleme nach sich ziehen werde. „Bei der Berechnung des Wertersatzes für die Sachbezüge, die Stammbeschäftigte erhalten, werden wir ironisch gemeint ‚viel Freude‘ bekommen“, blickte Dombrowsky in die Zukunft.
Haustarifverträge?
Auch sei nicht klar, ob die Tariföffnungsklausel der Höchstüberlassungsdauer auch durch Haustarifverträge genutzt werden dürfe, oder ob es sich zwangsläufig um einen flächenwirksamen Tarifvertrag der Einsatzbranche handeln müsse. „Da die Gesetzesbegründung keine einschränkende Aussage enthält, gehen wir davon aus, dass auch der einzelne Arbeitgeber mit einem Haustarifvertrag von der Höchstüberlassungsdauer abweichen darf“, nahm Dombrowsky an. Der Arbeitgeber habe naturgemäß sowieso die größere Sachnähe zur Stammbelegschaft. (ML)