Falscher Vergleich mit Zeitarbeit
Die tatsächliche Lohndifferenz von Zeitarbeitnehmern und Stammpersonal wird meist falsch errechnet. Wie es zu diesem Fehler kommt, erklärt Holger Schäfer im Interview. Im Format „Auf 100 Worte mit…“ spricht der Senior Economist am Institut der Deutschen Wirtschaft Köln über falsche Vergleiche und flexible Formen in der Wirtschaft – in maximal 100 Worten pro Antwort. Schäfer nimmt außerdem an einer Diskussionsrunde beim iGZ-Kongress PERSONAl.PRAXIS.WEST.HYBRID. am 8. September teil.
Wer nach Lohndifferenzen zwischen Zeitarbeit und der Stammbeschäftigung sucht, wird Zahlen finden, die in ihrer Aussage weit auseinanderliegen. Inwiefern wird dadurch eine ehrliche, politische Debatte verhindert?
Ein Problem entsteht vor allem dann, wenn Dinge verglichen werden, die nicht verglichen werden können. Den Durchschnittlohn in der Zeitarbeit einfach mit dem in anderen Branchen zu vergleichen, ist nicht hilfreich. Denn Zeitarbeitnehmer und Stammbelegschaften sind nicht beliebig austauschbar. Das fängt mit der Qualifikation an: In der Zeitarbeit sind weit überproportional Helfer beschäftigt. Natürlich kann man deren Lohn nicht mit den Ingenieuren der Stammbelegschaft vergleichen. Man kann nur Arbeitnehmer vergleichen, die hinsichtlich aller lohnrelevanten Eigenschaften weitgehend ähnlich sind.
Neben der Deutungshoheit stellt sich auch die inhaltliche Frage, welches Ziel wir in Sachen Lohndifferenzen aus Sicht des IW im Markt verfolgen sollten.
Die Entlohnung richtet sich im Wesentlichen nach der Produktivität. Diese ist zum Beispiel abhängig von der Qualifikation, aber auch von Dingen wie Berufserfahrung oder dem Grad der Integration in betriebliche Prozesse. Viele Zeitarbeitnehmer sind nur für eine eng begrenzte Dauer im Betrieb, können sich also gar nicht so weit in betriebliche Prozesse einarbeiten wie Arbeitnehmer der Stammbelegschaft. Hier sind Lohndifferenzen gerechtfertigt. Dort, wo Zeitarbeitnehmer länger im Betrieb sind, haben die Tarifpartner der Branche mit den Zuschlägen eine tarifliche Lösung gefunden.
Wie steht es mit der Flexibilität? Fehlt die generell im Markt? Auch Unternehmen sind ja einerseits verstärkt mit auftretenden Krisenszenarien konfrontiert (Pandemien, Überschwemmungen, etc.), andererseits aber auch mit immer größeren Anforderungen und geforderter Schnelligkeit und Flexibilität in Sachen Unternehmensentwicklung und Digitalisierung. Passen hier starre Modelle wie die Höchstüberlassungsdauer noch ins System?
Die Anforderungen an die betriebliche Flexibilität beim Einsatz von Personal nehmen zu. Das liegt zum Beispiel an technologischen Fortschritten, aber auch an Schritten des Gesetzgebers, die Arbeitnehmern größere Spielräume der Arbeitszeitsouveränität eröffnen. Daher ist es wichtig, dass Betriebe Instrumente wie die Zeitarbeit effektiv nutzen können, um diese Flexibilitätsanforderungen zu erfüllen. Die Höchstüberlassungsdauer erschwert die effektive Nutzung von Zeitarbeit, erweist sich als inkompatibel zur tariflichen Ausgestaltung von Equal Pay und konterkariert damit die ursprüngliche Absicht, die Beschäftigungssituation der Arbeitnehmer zu verbessern. (KR)