Empört über 15-Monatsregelung für Flüchtlinge

„Die geänderte Regelung, Flüchtlinge in Zeitarbeit erst nach 15 statt wie ursprünglich beschlossen nach drei Monaten zu beschäftigen, ist für mich inakzeptabel. Wir sollten jetzt zumindest zu der Drei-Monatsregelung zurückkommen“, fand Prof. Dr. Rita Süssmuth, Bundestagspräsidentin a.D., sehr klare Worte zum Hick-Hack der Politik bei der Flüchtlingsregulierung zur Zeitarbeit.

Vor rund 200 Zuhörern referierte Süssmuth beim iGZ-Landeskongress Ost in Dresden zum Thema „Einwanderung und Integration gehören zusammen“. Dabei bezog die ehemalige Bundestagspräsidentin eine eindeutige Position pro Öffnung der Zeitarbeit für Flüchtlinge: „15 Monate lösen in mir nicht nur Widerstand, sondern auch Empörung aus. Diese Regelung kann uns wahnsinnig teuer zu stehen kommen.“

Aufgaben und Arbeit

Wer die Strapazen der Flucht überlebe, entwickle auch Überlebenswillen. Die Gesellschaft müsse sich nun fragen: „Wie bekommen wir sie rasch aus der Traumatisierung und Lethargie heraus? Hier führen die Flüchtlinge ein Leben Pritsche an Pritsche und haben nur das, was sie am Körper tragen.“ Das Trauma begleite sie, das betreffe vor allem die Kinder. Jetzt gelte es, diese Menschen durch Aufgaben und Arbeit aus dem Strudel herauszukommen. „Es hilft nicht zu sagen, verarbeite erstmal ein Jahr dein Trauma und dann schauen wir weiter. Das nutzt keinem“, betonte Süssmuth.

Zeitarbeit gegen Perspektivlosigkeit

Es sei eine Chance für Flüchtlinge und eine Aufgabe für die Gesellschaft, „der Perspektivlosigkeit durch Zeitarbeit ein Ende zu setzen". Wer meine, das Problem mit herkömmlichen Verfahren und Instrumenten lösen zu können, täusche sich. Süssmuth: „Wir brauchen dazu nicht nur die gewählten Entscheider und eine gute Verwaltung, sondern auch die Zivilgesellschaft.“ Das sei ein neues Zusammenspiel zwischen Gesellschaft und Politik. „Ich habe mich nach der Maueröffnung wie auf Erbsen gefühlt. Ich wusste nicht, wie sich die Menschen fühlen und wo sie der Schuh drückt“, nannte die Referentin ein Beispiel aus der jüngsten deutschen Geschichte. Man dürfe jetzt also nicht nach dem Motto verfahren „Zieht neue Kleider an und verbrennt die alten.“

Wünsche und Bedürfnisse

Vielmehr seien die Bedürfnisse zu erfragen und danach müsse auch gehandelt werden. Süssmuth: „Die Flüchtlinge kommen mit Wünschen und Bedürfnissen zu uns, die wir auch haben. Sie wollen nicht die Vorteile des Sozialstaats genießen, sondern arbeiten. Und deshalb sollten sich die Politiker auch damit beschäftigen, was in der Zeitarbeit möglich ist“, appellierte sie in Richtung Berlin. Die Hauptintegration sei auch in Deutschland immer über Arbeit gelaufen.

Bildung und Arbeit verbinden

Die Gesellschaft falle auseinander, „wenn wir nicht schwierige Lebenssituationen absichern, die der Einzelne nicht bewältigen kann“, zitierte die Politikerin Bismarck. Es mache keinen Sinn, lediglich Trockenschwimmen zu veranstalten. „Bildung und Arbeit müssen wir verbinden. Die Flüchtlinge wollen heraus aus ihrer ausweglosen Situation, und sie sind voll motiviert. Wir brauchen jetzt flexible Handlungsfähigkeit innerhalb der Verbände und Kommunen“, forderte sie zum Handeln auf.

iGZ-Ansätze durchsetzen

Sie rate dazu, die Stellungnahme des iGZ zur Flüchtlingsdebatte „ständig in der Hand zu halten und zu pushen, damit sich der iGZ mit seinen Ansätzen durchsetzt“. Die 15-Monatsregelung sei im Gesetz, weil damit verhindert werden solle, dass noch mehr Asylbewerber kommen, ärgerte sich Süssmuth. „Die Flüchtlinge kommen, weil sie bei sich nicht mehr leben können und nicht mal wissen, ob sie überhaupt überleben. Sie haben die Möglichkeit, diesen Menschen zu helfen. Denn Zeitarbeitsunternehmen haben in der deutschen Wirtschaft einen festen Platz beim Zugang zu Erwerbstätigkeit. Lassen Sie sich nicht durch bürokratische Lösungen unterkriegen“, ermunterte sie die Zeitarbeitsunternehmer abschließend, aktiv zu werden. (WLI)