Einführung einer gesetzlichen Lohn-Sittenwidrigkeitsgrenze

Was bedeutet dieser Plan für die Zeitarbeit?

Hier hilft ein Blick in die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes:

BAG: Lohn bei Zeitarbeitsfirma unter Sozialhilfesatz nicht sittenwidrig

Ein Lagerarbeiter ist mit seiner Klage gegen eine Zeitarbeitsfirma wegen sittenwidrigen Lohnes vor dem Bundesarbeitsgericht gescheitert. Er hatte die Differenz zwischen dem vertraglich vereinbarten Stundenlohn von 6,13 Euro und dem seiner Ansicht nach ortsüblichen Lohn von 12,16 Euro verlangt. Der gezahlte Lohn sei nicht sittenwidrig, da er den Besonderheiten der Branche angemessen Rechnung getragen habe, entschieden die Erfurter Richter. Unerheblich war nach ihrer Ansicht auch der Umstand, dass der vereinbarte Lohn unter dem Sozialhilfesatz lag (Urteil vom 24.03.2004, Az.: 5 AZR 303/03).

Sachverhalt

Der Kläger war von Dezember 2000 bis August 2001 bei dem beklagten Zeitarbeitsunternehmen als Lager- und Versandarbeiter-Hilfskraft in Berlin beschäftigt. Der arbeitsvertraglich vereinbarte Stundenlohn betrug zuletzt 6,13 Euro. Der Mann war der Ansicht, der vereinbarte Lohn sei sittenwidrig, weil er in einem auffälligen Missverhältnis zu dem vom Statistischen Landesamt mitgeteilten Durchschnittslohn für ungelernte Arbeiter im produzierenden Gewerbe in Berlin in Höhe von 12,16 Euro stehe.

BAG weist Klage ab

Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos. Der vertraglich vereinbarte Stundenlohn des Klägers war nicht sittenwidrig, entschied jetzt auch in letzter Instanz das BAG. Denn der vom Kläger herangezogene Durchschnittsverdienst ungelernter Arbeiter im produzierenden Gewerbe in Berlin könne nicht als Vergleichsmaßstab zur Feststellung eines auffälligen Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung herangezogen werden.

Stundenlohn richtet sich nach Tariflohn der Zeitarbeitsfirma

Zu berücksichtigen sei hier, so die Erfurter Richter, dass der Kläger nicht im produzierenden Gewerbe tätig sei, sondern bei einem Zeitarbeitsunternehmen. Maßgebliche Bezugsgröße für die Feststellung der Sittenwidrigkeit der Lohnvereinbarung sei daher der bei Zeitarbeitsunternehmen geltende Tariflohn, der in einem Haustarifvertrag mit den Gewerkschaften ÖTV und DAG im Jahre 2000 vereinbart worden war. Der Stundenlohn des Klägers habe diesem Tariflohn entsprochen, so das Gericht.

BAG verneint Sittenwidrigkeit des Tariflohns

Der Tariflohn seinerseits sei nicht sittenwidrig, da er den Besonderheiten der Branche angemessen Rechnung trage, befand der fünfte Senat. Entgegen der Auffassung des Klägers war es für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit des vereinbarten Lohns dabei rechtlich unerheblich, dass die vereinbarte Lohnhöhe unter dem Sozialhilfesatz lag. Denn Sozialhilfeleistungen knüpften an eine individuell festzustellende Bedürftigkeit an, während zur Feststellung der Sittenwidrigkeit einer Lohnvereinbarung auf das Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt abzustellen sei. (Quelle: beck-aktuell-Redaktion, Verlag C. H. Beck, 25. März 2004.)

Eine derartige neue gesetzliche Sittenwidrigkeits-Regelung würde also für die Zeitarbeitsbranche keine praktische Bedeutung haben. Selbst die (nachwirkenden) CGZP-Haustarifverträge würden sich mit ihren Niedrigstentgelten wohl noch innerhalb des geduldeten Toleranzspielraumes bewegen. Statt Problemlösung also nur ein Placebo? (RA Werner Stolz, iGZ-Hauptgeschäftsführer)