Ein wenig zu kurz gesprungen
Die Bundesregierung hat beschlossen, die Sonderregelungen für die Kurzarbeit im Großen und Ganzen so auch im Jahr 2021 fortzuführen. Sie versucht dabei einen schwierigen Balanceakt: Hilfe für Unternehmen und Mitarbeiter in einer nach wie vor äußerst schwierigen wirtschaftlichen Lage einerseits, Gestaltung einer vorsichtigen Rücknahme staatlicher Sonderleistungen mit Rücksicht auf die nicht unerschöpflichen finanziellen Möglichkeiten des Staates andererseits.
Kurzarbeitergeld für Zeitarbeiter
Für die Zeitarbeit heißt die wichtige Botschaft: Auch für Zeitarbeitskräfte wird es bis zum Ende des Jahres 2021 möglich sein, Kurzarbeitergeld mit Aussicht auf Erfolg zu beantragen, wenn die Kurzarbeit im Betrieb bis zum 31.03.2021 beginnt. Nachdenklich aber stimmt der Schlusssatz in der Begründung zu der Verlängerung der Möglichkeit, für Zeitarbeitskräfte, Kurzarbeitergeld bis zum 31.12.2021 zu beantragen: „Danach tragen Verleiher das branchenübliche Risiko verleihfreier Zeiten selbst.“ Bliebe es dabei, gäbe es ab dem Jahr 2022 wieder kein Kurzarbeitergeld für Zeitarbeitskräfte.
Ungleichbehandlung bekämpfen
Für den iGZ ist klar, dass wir gegen jede Art der Ungleichbehandlung ankämpfen. Dass nicht jedes Einsatzende ein konjunktureller Arbeitsausfall ist, liegt auf der Hand. Dass es aber auch für Zeitarbeitsunternehmen, insbesondere aber nicht nur bei solchen, die sich auf die Überlassung in eine bestimmte Branche spezialisiert haben, konjunkturelle Schwierigkeiten zu einem Arbeitsausfall führen können und die Arbeitsplätze der Arbeitnehmer genauso schützenswert sind, sollte eigentlich außer Frage sein. Selbst bei Kommentatoren, die nicht im Arbeitgeberlager zu verorten sind (z.B. Professor Schüren), wird dieses so gesehen und sogar die Ansicht vertreten, schon nach dem Recht, wie es vor der Coronakrise bestanden hat, sei Kurzarbeitergeld für die Zeitarbeitskräfte zu bejahen. Die Zeitarbeitsunternehmen zahlen in die Arbeitslosenversicherung, aber eine wichtige Leistung, die mit ihr finanziert wird, wird ihr in wesentlichen Teilen vorenthalten.
Hürden für die Zeitarbeit
Dem Gesetzgeber war es offenbar so wichtig, dass die Zeitarbeitsbranche nur in der Corona-Ausnahmesituation in den Genuss des Kurzarbeitergeldes gelangt, dass gleich mehrere Hürden errichtet wurden. Eine Verordnung, die Kurzarbeitergeld für Zeitarbeitskräfte erlaubt, beruht auf einer Verordnungsermächtigung (§ 11a AÜG). Demnach darf eine Verordnung nur für den Fall „außerordentlicher Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt“ erlassen werden. Zudem ist § 11a AÜG seinerseits bis zum 31.12.2021 befristet. Unverständlich ist, warum nicht wenigstens dieser § 11a AÜG entfristet wird. Zum anderen enthält die Ermächtigungsgrundlage selbst die hohe Hürde der „außerordentlichen Verhältnisse am Arbeitsmarkt.“ Die Anforderung an eine solche Rechtsverordnung wäre so hoch, dass mit leichtfertig erlassenen Verordnungen nicht zu rechnen ist. Zudem ist der Erfahrungsschatz der Branche bisher nicht, dass Bundesarbeitsminister der Zeitarbeitsbranche besonders überschwänglich gegenüberstehen und deshalb geneigt sein könnten, grundlos Verordnungen zu erlassen, die Kurzarbeit für die Zeitarbeit ermöglichen. Die Entfristung des § 11a AÜG wäre das Mindeste, was man tun sollte. Selbst das wäre, um nicht missverstanden zu werden, nicht gleichwertig mit dem, was die Branche an Diskriminierungsabbau zu Recht verlangen dürfte. Unternimmt der Gesetzgeber nichts, steht ab 2022 wieder einmal - wie zuvor schon hinsichtlich der Kurzarbeitergeld-Regelung für die Finanzkrise 2008/2009 - eine außer Kraft getretene Ausnahmeregelung. Das ist optisch und inhaltlich unschön. Wollte man künftig Kurzarbeitergeld für die Zeitarbeit wieder temporär erlauben, müsste man das AÜG ändern und nicht nur, was rechtstechnisch einfacher wäre, eine Verordnung erlassen.
Befristung abschaffen
Von dieser Position zu trennen ist die Frage, inwiefern Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld für eine längere Zeit noch gelten sollten. Hier ist es zwar richtig, dass der Gesetzgeber in dieser Situation die Sonderregelungen verlängert hat. Es ist aber auch richtig und legitim, über ein schrittweises Zurückfahren der finanzschweren Sonderregelungen nachzudenken. Dabei hat der Gesetzgeber meines Erachtens einen vernünftigen Kompromiss gefunden. Hinsichtlich der Zeitarbeit aber würde eine Gerechtigkeitslücke bleiben, sollte die Übergangsregelung auslaufen. Zeitarbeitsunternehmen muss es bei Vorliegen eines konjunkturellen Arbeitsausfalls dauerhaft möglich sein, Kurzarbeitergeld zu bekommen. Das darf nicht erst unter dem Gesetzes- oder Verordnungsvorbehalt stehen. Wenigstens sollte die derzeitigen Verordnungsermächtigung entfristet werden. Ein Sprung in die richtige Richtung, aber ein wenig zu kurz gesprungen.
Über den Autor
Dr. jur. Martin Dreyer ist seit 2004 beim iGZ. Er ist Geschäftsführer und begleitet die Tarifpolitik sowie die Arbeit in den Projektgruppen. Martin Dreyer ist Mitglied in der Vertreterversammlung der VBG und vertritt die Verbandspolitik gegenüber der Berufsgenossenschaft.