Ein Schub für die Digitalisierung
Die Digitalisierung des Arbeitslebens war schon vor der Coronakrise ein viel diskutiertes Thema in der Zeitarbeitsbranche. Mittlerweile werden erste Konzepte in die Praxis umgesetzt – wie beispielsweise auch bei der DEKRA Arbeit Gruppe, einem der erfolgreichsten Personaldienstleistungsunternehmen in Deutschland. Geschäftsführerin Suzana Bernhard beschloss vor neun Monaten, das Unternehmen komplett zu digitalisieren. iGZ-Pressesprecher Wolfram Linke sprach mit ihr über Chancen, Möglichkeiten und die Auswirkungen der Corona-Beschränkungen auf die Digitalisierung.
Wie stark hat die Coronakrise Ihr Unternehmen – externes, wie auch internes Personal – getroffen?
Die Zeitarbeitsbranche stellt - im positiven wie auch negativen Sinne - seit jeher ein Spiegelbild der allgemeinen Wirtschaftslage dar. Und schon heute ist klar, dass es sich vor allem menschlich, aber auch wirtschaftlich um die größte Krise während unserer 20-jährigen Unternehmensgeschichte handelt. Im Gegensatz zu früheren wirtschaftlichen Veränderungen, die zunächst nur vereinzelte Branchen oder Regionen ereilten oder deren Verlauf zumindest etwas greifbarer war, hat die Corona-Pandemie weltweit nahezu alle Branchen zeitgleich zu einer krisenbedingten Vollbremsung gezwungen. Viele unserer Kunden mussten quasi von heute auf morgen die Produktion runterfahren oder ihre Tätigkeit stark einschränken, was sich natürlich auch unmittelbar auf uns und unsere Zeitarbeitnehmer ausgewirkt hat.
Welche praktischen Maßnahmen wurden ergriffen?
Ich denke, wir unterscheiden uns hier nicht allzu sehr von allen anderen Unternehmen, deren Arbeitsalltag und Auftragslage in kürzester Zeit auf den Kopf gestellt wurde. Auch wir haben sofort in allen Geschäftsstellen entsprechende Schutzmaßnahmen getroffen und die allgemeinen Hygiene-Richtlinien sowie Kontaktvorgaben der Bundesregierung flächendeckend umgesetzt. Zudem haben wir sowohl beim internen wie auch externen Personal die Möglichkeiten zur Kurzarbeit genutzt, um krisenbedingte Kündigungen weitestgehend zu vermeiden. In diesem Zusammenhang hat sich übrigens auch wieder gezeigt, welch Gemeinschaftssinn und Zusammenhalt innerhalb der DEKRA Arbeit Gruppe besteht.
Bereits vor der Krise hat die Dekra das Thema Digitalisierung aufgegriffen. Welche Bereiche des Unternehmens sollen denn genau digitalisiert werden?
Wir werden sämtliche administrativen Prozesse, die rund um den Bewerber, den Kunden und deren Verwaltung anfallen, umfassend digitalisieren. Die Digitalisierung betrifft daher fast alle Unternehmensbereiche und wird vom Recruiting über das Dokumentenmanagement, die Digitale Personalakte bis hin zur digitalen Signatur neu definiert.
Stichwort Personalakte: Wie setzen Sie die Erfordernisse des Schriftformgebots bei der Arbeitnehmerüberlassung digital um?
Sofern eine Schriftform erforderlich ist, kann das über eine qualifizierte elektronische Signatur umgesetzt werden. Hier bildet der Bereich der Arbeitnehmerüberlassung keine Ausnahme zu anderen Bereichen und kann hier nahtlos anknüpfen.
Beschleunigt die Coronakrise die Digitalisierung der Wirtschaft?
Die Digitalisierung hat in vielen Unternehmen durch die Krisensituation sicherlich an Fahrt zugenommen. Allein schon die rasante Entwicklung von Homeoffice-Lösungen oder virtuelle Meetings tragen in vielen Firmen automatisch zu neuen digitalen Strukturen bei. Aber auch im gesellschaftlichen und arbeitsbezogenen Alltag gilt es noch schneller moderne Online-Verfahren zu etablieren, um den weiterhin anhaltenden Hygiene-Vorschriften und Kontaktbegrenzungen Rechnung zu tragen. Für uns hat sich der Umsetzungsfahrplan hingegen kaum verändert, da wir bereits vor der Corona-Pandemie mit unserem Digitalisierungsprozess begonnen haben und ihn auch unverändert weiter fortsetzen.
Welche Vorteile ergeben sich für den täglichen Geschäftsverkehr gerade in Zeiten des Kontaktverbots aus der Digitalisierung?
Der größte Vorteil liegt momentan sicherlich noch darin, dass man trotz der bestehenden Vorgaben handlungsfähig bleibt und der regelmäßige Austausch mit allen Kunden und Mitarbeitern unverändert gewährleistet ist. Die digitalen Alternativmodelle sind zwar nicht in der Lage den persönlichen Kontakt komplett zu ersetzen und gerade jetzt ist uns der hohe Stellenwert des menschlichen Miteinanders auch bewusster denn je. Doch gleichzeitig offenbart es zahlreiche Möglichkeiten, wie man Prozesse zukünftig vereinfachen, abkürzen und effizienter gestalten kann. Sofern die Digitalisierung dazu beitragen kann, Ressourcen zu schonen, Kosten zu reduzieren oder die Wochenplanung zu entzerren, bleibt mehr Zeit und Budget für andere, vielleicht wichtigere Dinge. Es geht bei der Digitalisierung also nicht um einen komplett neuen Arbeitsalltag bzw. ein „Entweder-oder“, sondern um ein wohl dosiertes „Sowohl-als-auch“. Nur der gezielte Einsatz digitaler Strukturen wird uns nachhaltig weiterbringen und neue Chancen eröffnen.
Wird die Automatisierung der Daten langfristig den persönlichen Kontakt von Disponent zu Zeitarbeitnehmer ablösen oder ergibt sich durch die digitalisierte Bürokratie mehr Freiraum für den persönlichen Kontakt?
Der persönliche Kontakt ist und bleibt ein entscheidender Erfolgsaspekt unserer Arbeit. Kein Mensch, kein Unternehmen oder Arbeitsplatz ist gleich, weshalb die persönliche Nähe sowie individuelle Betrachtung auch in Zukunft unabdingbar sind. Manche organisatorischen oder bürokratischen Aufgaben können hingegen problemlos auch per Knopfdruck digital erfolgen, was uns dann tatsächlich noch mehr Freiraum für die menschlichen oder auch kundenbezogenen Dinge schenkt. Je besser man die Bedürfnisse des anderen kennt und sich Zeit dafür nehmen kann, umso erfolgreicher und lösungsorientierter ist das Ergebnis.
Nicht zuletzt hat ja auch die AÜG-Reform für einen konjunkturellen Einschnitt in der Zeitarbeitsbranche gesorgt. Läuft die zunehmende Regulierung der Digitalisierung zuwider oder wird sie in der praktischen Umsetzung durch diese gesetzlichen Schranken sogar behindert?
Grundsätzlich wird die Abwicklung immer komplexer. Daher ist es sicher sinnvoll, wenn einige Regulierungen durch Systeme unterstützt und kontrolliert werden können, wie beispielsweise die Fristenüberwachung. Die Kunden erwarten trotz zunehmender Komplexität eine schnelle und flexible Unterstützung, sodass die Prozesse basierend auf der AÜG-Reform einen nicht zu lange aufhalten sollten, was einen immer weiter zunehmenden Grad an Digitalisierung unserer Prozesse unausweichlich macht.
Corporate Social Responsibility (CSR), also die Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft, ist mittlerweile auch in der Zeitarbeitsbranche angekommen. Ist die DEKRA-Digitalisierung ein Baustein auf dem Weg zum papierlosen Büro und damit Teil eines Gesamtkonzepts des Unternehmens?
Für die DEKRA Arbeit Gruppe ist die gesellschaftliche Verantwortung schon immer ein zentraler Faktor. Seit unserer Gründung vor genau 20 Jahren leisten wir unseren Beitrag zu einer verbesserten Arbeitswelt und haben vielen Menschen eine neue berufliche Perspektive ermöglicht. Aber auch der ökologische Fußabdruck wird für uns alle, im privaten wie auch unternehmerischen Umfeld immer wichtiger. Tatsächlich kann die Digitalisierung zu einem neuen Umweltbewusstsein und ressourcenschonenden Alltag beitragen – sei es beim Papierverbrauch oder einem reduzierten Reise- und Transportaufkommen. Wir erfahren gerade, dass nicht jedes Meeting real stattfinden muss oder der Austausch von Informationen und Unterlagen auch auf elektronischem Wege möglich ist. Diese digitalen Chancen sinnvoll und ohne den Verlust an Qualität, Sicherheit und auch Menschlichkeit verantwortungsvoll zu nutzen, ist die eigentliche Zielsetzung.
Fließen die Erfahrungen der Coronakrise in die Realisierung der Digitalisierung mit ein und wenn ja, in welcher Form?
Was den grundsätzlichen Digitalisierungsprozess betrifft, hat sich unser Konzept und unsere Strategie nicht verändert. Weit vor der Coronakrise haben wir gemeinsam mit unseren Digitalisierungspartnern bereits die erforderlichen Maßnahmen definiert und professionell angeschoben. Die Realisierung erfolgt in unserem Fall also trotz und nicht aufgrund der jüngsten Ereignisse. Und wenn es für uns bzw. vor allem für mich einen konkreten Erfahrungswert gibt, dann ist es eher die Erkenntnis, dass viele Aufgaben zweifelsohne auch digital umgesetzt werden können und den Arbeitsalltag positiv unterstützen, die Digitalisierung aber niemals auf Kosten eines Social Distancings erfolgen darf. Die Nähe zu den Menschen um uns herum und das persönliche Miteinander mit unseren Kunden und Mitarbeitern lässt sich durch keine noch so professionelle Digitalisierungsmaßnahme ersetzen.
Thema praktische Umsetzung: Gibt es schon einen Zeitplan und wann rechnet die DEKRA bei Erfolg mit einer Komplettdigitalisierung der Geschäftsbereiche?
Wir haben planungsgemäß Mitte April in einer ersten Region in Deutschland und einem ersten Geschäftsbereich mit der Implementierung der neuen Prozesse begonnen. Sobald die dortigen Maßnahmen abgeschlossen sind und alles reibungslos läuft, werden sukzessive alle weiteren Regionen und Bereiche nachfolgen, bis die gesamte Transformation vollzogen ist. Wann dies genau der Fall sein wird, ist momentan weder konkret absehbar noch relevant. Denn auch hier ist für uns nicht die Schnelligkeit, sondern die Qualität der letztlich entscheidende Faktor. (WLI)