Differenzieren lautet das Gebot der Stunde!
In der Berichterstattung über Corona-Ausbrüche in Betrieben der Fleischindustrie geht es seit Wochen wild durcheinander: Werkvertrag und Leiharbeit werden tagtäglich synonym verwendet, selbst von öffentlich-rechtlicher Seite. Die zuletzt bekanntgewordene Ansteckungswelle beim Schlachtbetrieb Tönnies in Rheda-Wiedenbrück befeuerte die Diskusison abermals und erreichte medial ihren traurigen Höhepunkt in der Schlagzeile „Schattendasein der Tönnies-Leiharbeiter“, ausgerechnet vom sonst so sachorientierten Deutschlandfunk. Bei Zuhöhrern sowie Zuschauern verfestigt sich damit der Eindruck, dass es sich bei Werkverträgen und Arbeintnehmerüberlassung (AÜ) um ein und dieselbe Sache handelt. Als iGZ haben wir in den letzten Wochen wiederholt auf die unzureichende Differenzierung und damit mangelhafte Berichterstattung hingewiesen und möchten deshalb auch im iGZ-Blog die Gelegenheit nutzen, um noch einmal klarzustellen: Werkverträge und Zeitarbeit unterscheiden sich anhand diverser, auch grundsätzlicher Kriterien.
Liste der Unterschiede ist lang: Werkvertrag zielt auf ein Ergebnis
Begonnen beim Gegenstand und der Erfüllung des Vertrags, über die Eingliederung in Arbeitsabläufe, bis hin zu Haftungs- und Kontrollfragen, die Liste der Unterschiede ist lang. Werkverträge werden generell zwischen einem Auftraggeber und einem Werkunternehmer geschlossen. Entscheidend dabei ist, dass ein Vertrag über einen konkreten, zu erbringenden Erfolg geschlossen wird. Das kann zum Beispiel die Herstellung einer Sache sein, wobei die Vergütung erst nach deren Abnahme erfolgt. Der Werkunternehmer muss diese dann selbstständig organisiert und eigenverantwortlich durchführen. Daher gibt es gegenüber der Stammbelegschaft getrennte Arbeitsabläufe. Grundsätzlich haftet der Werkunternehmer für Mängel. Die tatsächliche Vertragsdurchführung kann zudem über längere Ketten an einen Subunternehmer delegiert werden.
Arbeitnehmerüberlassung mit Fokus auf den Mitarbeiter
Bei Arbeitnehmerüberlassung (AÜ) hingegen werden Zeitarbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber einem Dritten zur Arbeitsleistung überlassen. Dafür ist eine Erlaubnis, die von der Bundesagentur für Arbeit erteilt wird, Pflicht. Während beim Werkvertrag ein Ergebnis eingekauft wird, werden bei der AÜ Arbeitnehmer überlassen, die ihre Arbeitsleistung zur Verfügung stellen. Zeitarbeitnehmer sind während der Überlassung im Einsatzbetrieb eingegliedert und führen ihre Arbeiten nach dessen Weisungen aus. Daher haften sie auch nicht für Mängel. Zusätzlich greifen Rechte betrieblicher Mitbestimmung. So ist der Zeitarbeitnehmer berechtigt, an den Betriebsversamlungen im Entleihbetrieb teilzunehmen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche spezifische Vorgaben im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zum Schutz der Arbeitnehmer, vor allem bezogen auf die Vergütung, an das sich beide – Zeitarbeits- und Einsatzbetrieb – halten müssen.
Bei AÜ haften Zeitarbeits- UND Einsatzbetrieb
In der aktuellen Debatte wird häufig der Vorwurf angeführt, dass sich die Fleischbetriebe mit Hilfe der Beauftragung von Subunternehmen bewusst ihrer Verantwortung gegenüber den Beschäftigten entziehen. Genau das ist in der AÜ aber nicht möglich. So haftet auch der Einsatzbetrieb, wenn Pflichten zur Offenlegung im Überlassungsvertrag nicht erfüllt werden. Hier droht im Fall eines Verstoßes ein Bußgeld von bis zu 30.000 Euro für Zeitarbeits- und Einsatzbetrieb. Der Einsatz von Zeitarbeitnehmern als Streikbrecher kann mit einem Bußgeld von bis zu 500.000 Euro für den Einsatzbetrieb geahndet werden. Kommt es auf Seiten des Zeitarbeitsbetriebs wiederholt zu Verstößen, kann ihm letztlich die Erlaubnis entzogen werden. Wenn mehr Flexibiltät beim Einsatz gewünscht ist, beispielsweise bei der Überlassungsdauer, verlangt der Gesetzgeber mehr Sicherheit, so dass nur sozialparnterschaftliche Vereinbarungen greifen. Dieser Ansatz stärkt die Sozialpartnerschaft und die Tariflandschaft. Auch hier gibt es keine vergleichbare Regelung bei Werkverträgen.
Differenzierung ist dringend geboten!
Während bei der AÜ demnach Transparenz und Rechtssicherheit für alle Beteiligten sowie die Kontrollbehörden groß geschrieben und in der Praxis gelebt werden, bleiben die Vorgaben bei Werkverträgen in vielerlei Hinsicht zurück. Deswegen ist eine Differzierung in der Debatte und konkret beim geplanten Verbot von Werkverträgen und Zeitarbeit in der Fleischindustrie dringend geboten. Politik und Medien dürfen dies nicht weiter ignorieren.
Von Diandra Schlitt, Government Affairs/ iGZ-Fachbereich Politische Grundsatzfragen
Über die Autorin
Diandra Schlitt ist seit Januar 2020 als Referentin für Government Affairs und Arbeitsmarktpolitik im iGZ-Fachbereich Politische Grundsatzfragen tätig. Zuvor absolvierte sie ein Traineeship im Rahmen des Geschäftsführernachwuchsprogramms bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und arbeitete im Anschluss daran als Referentin für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik beim sozialpolitischen Spitzenverband der Ernährungs- und Genussmittelindustrie.