Die Zeiten ändern sich (schneller als wir es je für möglich gehalten hätten)
Als im Januar und Februar dieses Jahres die ersten Meldungen zu Infektionen in China mit dem Coronavirus bei uns ankamen, war dies interessant, aber eben auch nicht mehr. Wir dachten, das wird wieder so verlaufen wie die vorherigen Pandemiewarnungen zum Beispiel bei SARS oder der Vogelgrippe.
Lockdown im März
Als es dann im März innerhalb von einer Woche bei uns in Deutschland ernst wurde und der Lockdown von jetzt auf gleich beschlossen war, musste ich mich in kürzester Zeit auf neue und vor allem in großen Teilen noch völlig unbekannte neue Rahmenbedingungen für unser Geschäftsmodell der Überlassung von Krankenpflegepersonal einstellen. Das war mit Sicherheit die aufregendste Zeit meines bisherigen Berufslebens.Wir mussten uns von jetzt auf gleich mit Themen wie mangelnde Nachfrage in allen klinischen Krankenpflegebereichen aufgrund des Aussetzens aller elektiven Operationen sowie der bewussten Nichtbelegung von bis zu 50 Prozent der Intensivbetten, daraus resultierend Kurzarbeit und Finanzierungsfragen, auseinandersetzen. Es war ein richtiger Crashkurs im Krisenmanagement unter Live-Bedingungen.
Bedarf der Kunden änderte sich schlagartig
Ich habe bei uns im Unternehmen ermitteln lassen, welche Mitarbeiter noch Fähigkeiten/Qualifikationen haben, die wir bis dahin noch nicht kannten und nun unseren Kunden anbieten können. Denn auch bei unseren Kunden hat sich von heute auf morgen alles verändert, so auch der Bedarf an externen Mitarbeitern. Einige unserer internen Mitarbeiter wurden wieder zu Intensivpflegern, OP-Kräfte wieder in der Notaufnahme eingesetzt und viele mussten zeitweise leider den Weg über die Kurzarbeit gehen.Mittlerweile sind meine internen Mitarbeiter und ich Experten in Sachen Quarantäneerstattungen, öffentlichen Fördermitteln im Krisenfall, Kurzarbeit und höchst flexibler Disposition.
Für unsere Krankenpfleger haben sich die Arbeitsbedingungen ebenfalls in Rekordzeit nachhaltig verändert. So müssen jetzt in viel größerem Umfang Bereitschaftsdienste übernommen werden und in vielen Bereichen des Krankenhauses wird das Arbeiten im Vollschichtsystem, im Gegensatz zur Vorcoronazeit, jetzt vorausgesetzt. Diese Entwicklung deutete sich bereits im Vorfeld an und ist jetzt im Zuge des veränderten Marktumfeldes beschleunigt vorangeschritten.
Disposition ist nun viel kurzfristiger
Bei uns im Unternehmen ist die Reaktionszeit auf sich andeutende Veränderungen erheblich gestiegen und wir haben uns daran gewöhnt, unsere gesamte Disposition erheblich schneller sowie kurzfristiger zu gestalten. Woran ich mich noch nicht gewöhnt habe, ist die damit verbundene Unsicherheit mit Blick auf die Zukunftsplanung.
Wann wird ein Impfstoff gefunden? Wie wird sich der Bedarf an Mitarbeitern entwickeln? Wie werden unsere Mitarbeiter langfristig mit den sich ändernden Rahmenbedingungen umgehen?
All diese Fragen hatten in der Vergangenheit für mich keine beziehungsweise wenig Relevanz bei der Geschäftsprognose. So war die Geschäftsprognose für die kommenden Monate stets relativ zuverlässig zu erstellen und der Ausblick für die kommenden Jahre hatte ebenfalls wenigstens eine richtungsweisende Bedeutung. So lange jedoch noch so viele offene und aktuell nicht beantwortbare Fragen im Raum stehen, muss man mit einer relativ großen Unsicherheit flexibel umgehen. So würde ich diese erhöhte Anforderung an unsere Flexibilität und das Leben mit vielen pandemiebezogenen Fragezeichen als das aktuelle „New Normal“ bezeichnen.
Für das kommende Jahr erwarte ich allerdings, dass aus den vielen pandemiebezogenen Fragezeichen wieder Ausrufezeichen werden und wir uns wieder mehr auf sonstige wichtige Themen, wie die Reaktion auf das sich veränderte politische Umfeld mit neuen Herausforderungen für die Zeitarbeit, die Umsetzung der tariflichen Aufgaben und unser ganz reguläres Alltagsgeschäft konzentrieren können. So ist zumindest heute meine Erwartung an das kommende Jahr. Denn hätte mich im Januar jemand nach den größten Herausforderungen für dieses und das kommende Jahr gefragt, so hätte ich für alle Zeitarbeitsfirmen die Umsetzung unseres Tarifabschlusses aus dem Dezember 2019 genannt. Und so hat auch diese Prognose vielleicht nur eine kurze Halbwertzeit.
Gastbeitrag von Walter Schäfer, Inhaber und Geschäftsführer der G.C.S. Global Clinic Solutions GmbH
Über den Autor:
Seit 20 Jahren ist Walter Schäfer in verschiedenen Bereichen der Zeitarbeit tätig. Seit zehn Jahren ist er Inhaber und Geschäftsführer der G.C.S. Global Clinic Solutions GmbH. Ehrenamtlich engagiert er sich unter anderem in der iGZ-Tarifkommission.