„Die Macht der Kandidaten nimmt zu“
Personalberatung, Personalvermittlung, Headhunting – gemein haben alle drei Begriffe, dass sie „irgendwas mit Personal“ zu tun haben. Aber was genau? Zdirekt!-Chefredakteurin Sara Schwedmann hat mit Kai Haake, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater BDU e.V., über Beratungsbedarf, Recruiting-Markt und Kandidatenwünsche gesprochen. Hinweis: Dieser Artikel erschien mit weiteren spannenden Artikeln zur Branche zuerst in der neuen Zdirekt!.
Verschiedene Studien zeigen: Die Zahl derjenigen, die ihren Job wechseln wollen, ist derzeit auffällig hoch. Wie wirkt sich das aufs Beratungsgeschäft aus, wie geht es ihrer Branche?
In den 2000er Jahren gab es viele Unkenrufe, dass Stellenbörsen den Beruf des Personalberaters obsolet machen würden – das war aber ein absoluter Trugschluss. Unsere Marktzahlen von 2020 zeigen: Mit 2,3 Milliarden Euro hat sich der Umsatz von 1,3 Milliarden Euro im Jahr 2010 nahezu verdoppelt. Im vergangenen Jahr hatten wir zwar einen Einbruch um acht Prozent, aber das haben wir im gerade abgelaufenen Jahr weitgehend wieder aufgeholt. „Es brummt richtig“ ist das, was die Branche uns zurückmeldet. Das ist aber nicht primär ein Thema von Kandidatenseite, sondern von Arbeitgeberseite. Arbeitgeber schaffen es nicht mehr so leicht, in Eigeninitiative neue Mitarbeiter zu finden. Der Fachkräftemangel ist da auch in der Breite angekommen. Selbst der öffentliche Bereich greift immer öfter auf die Unterstützung durch Personalberater zurück. Mein Eindruck ist aber nicht, dass das zwingend mit einer erhöhten Wechselbereitschaft einhergeht.
Die Personaldienstleistungsbranche umfasst ein breit gestecktes Feld. Inwieweit ist die Personalberatung auch ein Teil davon?
Für uns ist Personalberatung weit mehr als das Finden und Abwerben von Bewerberinnen und Bewerbern. Der Prozess setzt schon viel früher an, gerade wenn Sie gewonnene Kandidaten dauerhaft an sich binden wollen, müssen Onboarding, Angebote wie Homeoffice, Vergünstigungen, Karriereentwicklung in der Firma sichergestellt werden – bis hin zum passenden Gehalt in der bestehenden Gehaltsstruktur. All das sehen wir als Aufgabe unserer Personalberater, dass sie im Vorfeld schon beratend zur Seite stehen, von der Stellen-Profilierung – was ist gewünscht und was ist auch realistisch – über die Vergütungsfrage und die Art der Herangehensweise in engeren Märkten mit beispielsweise Zielfirmenlisten bis hin zur Ansprache, Karriereplanung und dem Cultural Fit. Pro Jahr werden über die Personalberatung 65.000 Stellen besetzt, davon sind 40.000 vorwiegend Spitzenkräfte und Spezialisten mit einem Gehaltsvolumen im Bereich von über 150.000 Euro pro Jahr. Die Personalberatung ist also durchaus ein relevanter Teil der Personaldienstleistungsbranche.
Was unterscheidet denn Vermittlung von der Personalberatung?
Es gibt eine ganz klassische Unterscheidung: Wenn Kandidaten selbst eine Vermittlung in Auftrag geben –
über Jobgutscheine oder das Arbeitsförderungsgesetz laut Sozialgesetzbuch – ist das für uns auch eindeutig eine Personalvermittlung. Personalberater werden nicht durch Kandidaten vergütet oder beauftragt. Dazu sind das Anforderungsprofil an den Beratungsprozess sowie die Vergütungs- und Positionshöhen andere. Als Beispiel: Einen Manager suchen Sie anders als einen Gärtner, nicht lokal oder regional, sondern eher bundesweit und auch im Ausland. Die Ansprache ist auch eine andere. Und Berater analysieren Profile und den Werdegang, ob der jeweilige Kandidat und dessen Karriereentwicklung zu den Anforderungen der Stelle passen. Das ist üblicherweise nur bei Fach- und Führungskräften und aufwärts der Fall, die klassische Personalvermittlung fokussiert sich da auf ein anderes Marktsegment. Die Personalberatung ist zudem völlig zulassungsfrei und nicht wie über das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz oder das SGB III reglementiert.
Laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Lünendonk & Hossenfelder sind 92 Prozent der befragten Personaldienstleister in der Arbeitnehmerüberlassung tätig. Nur drei Prozent bieten Personalvermittlung an. Warum sind andere Bereiche wie Personalberatung oder Outsourcing aus Ihrer Sicht nicht so attraktiv?
Aus meiner Erfahrung ist die Kommunikation einer Marke schwieriger, wenn sie nicht markenrein ist. Wenn Sie auf der einen Seite Zeitarbeit mit dem Fokus auf Helfertätigkeiten, die ein sicherlich auch anspruchsvolles Lieferantenmanagement beinhaltet, und gleichzeitig auch Personalberatung im Segment Führungs- und Spitzenkräfte anbieten, ist das sehr komplex. Die Bühnen sind andere und ich bin mir sicher, dass weder unsere Personalberater einfach so in die Personalvermittlung einsteigen noch Personalvermittler ohne Weiteres in der Personalberatung tätig sein können und wollen. Die fachlichen Spezialisierungen der Mitarbeiter sind andere. Personalberater machen neben Suche und Auswahl etwa zu gut zehn Prozent auch Management-Diagnostik, also Assessment Center, Personalentwicklung bis hin zu Aufsichtsratsbesetzungen. Personalberater erhalten sehr tiefe Einblicke in die Unternehmen.
Ist Headhunting gleichbedeutend mit Personalberatung? Headhunter sind doch die, die gute Kandidaten von der Konkurrenz abwerben?
Ich benutze den Begriff eher ungern, denn er zielt so auf den Begriff „Kopf“ und das „Jagen“ ab. Das Wort ist in den 70er Jahren aus Amerika zu uns herübergeschwappt und natürlich sehr medienwirksam. HR-Recruiter oder -Consultant ist mir da lieber. Headhunter und Personalberater – das sind Synonyme, ein guter Headhunter muss die gleichen Anforderungen erfüllen wie auch ein Personalberater: Er muss beraten.
Wie hat sich die Personalberatung in den vergangenen Jahren verändert?
Immer wichtiger wird das Binden von Kandidaten. Wir erleben es immer häufiger, dass Kandidaten nach Vertragsunterschrift noch vor Arbeitsantritt wieder kündigen. Die Macht der Kandidaten nimmt zu und das führt dazu, dass wir als Berater auch im Onboarding-Prozess unterstützen müssen. Wir sind auch immer mehr Sparringspartner der Unternehmen, denn es bringt nichts, Kandidaten zu viel zu versprechen und dann folgt der Realitätsschock. Die Sensibilität auf beiden Seiten nimmt zu und dass man auch kulturell zusammenpasst, nimmt einen immer höheren Stellenwert ein.
Kai Haake ist seit 2014 Geschäftsführer und Syndikusanwalt des BDU. Er verantwortet die Bereiche Strategie und Public Affairs, insbesondere kümmert er sich um die verbands- und wirtschaftspolitischen Netzwerke im deutschsprachigen Raum. Er sondiert die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen der Consultingwirtschaft.