Dem Fachkräftemangel effektiv begegnen

„Wir brauchen ein grenzenloses Recruiting, wenn wir dem Fachkräftemangel effektiv begegnen wollen. Personaldienstleister sind die Recruiting-Experten überhaupt. Wir machen den ganzen Tag nichts anderes. Aber ausgerechnet wir dürfen Menschen nicht anstellen, die aus Nicht-EU-Staaten kommen. Das ist paradox!“ – Mit einem engagierten Statement brachte der iGZ-Bundesvorsitzende Christian Baumann beim Arbeitsmarktkongress 2019 die Situation auf den Punkt.

Die Zukunft des Arbeitsmarkts und der Arbeit standen im Fokus der gut besuchten Fachveranstaltung, die sich an die Berliner Arbeitsmarktpolitik-Experten richtete. Der iGZ führte den Kongress zum ersten Mal in dieser Form gemeinsam mit seinem Schwesterverband BAP und der Friedrich Naumann-Stiftung durch.

Digital affine Generationen kommen

Zuvor hatte Dr. Steffi Burkhart in ihrer Keynote die Grundlagen für das Verständnis der möglichen zukünftigen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt gelegt. Die Spielregeln der Welt veränderten sich gerade. Vor diesem Hintergrund sei es nicht zu verstehen, dass sich so viele Akteure noch im Modus der Erfahrung bewegen würden. Sie appellierte an Unternehmen, den Anforderungen der jungen Arbeitsgeneration entgegen zu kommen und „Subkulturen“ zuzulassen. Der klassischen „Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Konstellation“ bescheinigte sie, ein Auslaufmodell zu sein. Die Flexibilitätswünsche der jüngeren digital affinen Generationen könne man nur über die Zeitarbeit mit der nötigen Sicherheit eines festen Anstellungsverhältnisses kombinieren.

Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen

Den Blick in die Anwendungspraxis warfen die beiden Zeitarbeits-Verbandsspitzen Christian Baumann (iGZ) und Sebastian Lazay (BAP) gemeinsam mit der Präsidentin des Verbands deutscher Unternehmerinnen, Jasmin Arbabian-Vogel. Moderiert von TV-Journalistin Anke Plättner kamen hier die Herausforderungen der Unternehmen mit Blick auf die Digitalisierung, den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel zur Sprache. Hierbei kam neben der fehlenden Möglichkeit zur Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen und der immer wiederkehrenden Forderung der Zeitarbeitsbranche nach einer entsprechenden Öffnung des Paragraf 40 im Aufenthaltsgesetz auch die Frage zur Sprache, welche Zielgruppen für den Arbeitsmarkt noch stärker in den Blick genommen werden sollten. Potenziale erkannten die Diskutanten hier sowohl bei Frauen als auch bei Älteren. Mit Blick auf modernere Arbeitsformen in den Unternehmen und dem geforderten Umdenken wurde deutlich, dass Agilität viel mehr sei, als lediglich agile Arbeitsformen im Unternehmen zu implementieren. Und genau hier kritisierte Baumann auch eine fehlende Unterstützung durch die Politik: „Der Gesetzgeber setzt für die Agilität nicht die nötigen Anreize und Rahmenbedingungen und erschwert diese teilweise sogar.“

Politik-Panel reagiert: Recht auf Homeoffice

Hierauf konnte „die Politik“ im Anschluss im zweiten Panel direkt reagieren – und tat es auch. Beate Müller-Gemmecke (Bündnis 90/ Die Grünen) forderte den Menschen mehr Zeitsouveränität zu geben: „Die Menschen müssen mehr Einfluss auf die eigene Arbeitszeit nehmen können.“ Das gelte sowohl insgesamt als auch auf die Lage der Arbeitszeit im Tagesverlauf. Zudem forderte sie ein Recht auf Homeoffice. Die im Südwesten getroffene tarifliche Regelung, nach der Ruhezeiten von neun, statt wie gesetzlich geregelt elf Stunden ausreichend seien, wenn der Mitarbeiter den Beginn seiner Arbeitszeit frei bestimmen kann, begrüßte sie ausdrücklich. Das rief sowohl Kai Whittaker (CDU) als auch Jochen Vogel (FDP) auf den Plan, die Müller-Gemmecke direkt eine Gesetzesinitiative hierzu anboten. Tenor der beiden: Wenn die Regelung so gut ist, sollte sie nicht nur den Menschen vorbehalten sein, die unter diesen Tarifvertrag fallen, sondern allen Teilnehmern am Arbeitsmarkt.

"Digitalisierung teilt die Menschen in Gewinner und Verlierer"

Mit Blick auf eine mögliche Verunsicherung der Menschen in der Arbeitswelt forderte Dr. Martin Rosemann (SPD) ein „Sicherheitsversprechen“. Dieses könne aber nicht so lauten, dass alles bleibe, wie es sei, sondern „dass wir jede und jeden individuell unterstützen, mit den Veränderungen klarzukommen.“ Einig waren sich die Politiker über alle Fraktionsgrenzen hinweg, dass die Digitalisierung die Menschen in Gewinner und Verlierer teile. Man müsse aufpassen, nicht Arbeitslosigkeit bei gleichzeitigem Fachkräftemangel zuzulassen. Das Instrument um das zu verhindern laute – auch da waren sich alle einig – Qualifizierung. (MS)