Das Instrument der Zeitarbeit kommentiert
Die zur Zeit geführte öffentliche Kampagne der Gewerkschaften gegen Zeitarbeit begründet sich auf pauschalen und emotionalen Äußerungen. Sorgfältige Analysen finden sich nicht. So wird kolportiert, dass immer mehr Einstellungen befristet seien und der Einsatz von sogenannten "Leiharbeitnehmern" ständig zunehme. Ein Beweis dafür bleibt zumindest öffentlich aus. So keimt der Verdacht, dass es nicht um eine Verbesserung einer vorgeblich unmenschlichen Arbeitssituation geht, sondern um schlichte Mitgliederwerbung mit Parolen. Mitarbeiter in der Zeitarbeit sind traditionell seltener in einer Gewerkschaft organisiert, und die Mitgliederverluste der vergangenen Jahre schmerzen.
Kein Trend
Wie ist es aber nun im nördlichen Schleswig-Holstein um die Zeitarbeit bestellt? Handelt es sich - wie behauptet - um ein Massenphänomen, das unbefristete sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse verdrängt und "Kindern die Zukunft klaut"? Den Angaben der Arbeitsagentur Flensburg zufolge waren am 31.12.2009 im Landesteil 776 Beschäftigte oder 0,6 Prozent der Arbeitnehmer in der Zeitarbeit beschäftigt. Da war der Konjunkturboom noch nicht sichtbar, könnte man entgegnen. Im August 2010 sind es mit 957 Personen und damit 0,74 Prozent aber unwesentlich mehr. Die Zahlen belegen, dass es sich nicht um einen Trend - schon gar keinen negativen - handelt. Auch ist die Anzahl der unbefristet sozialversicherungspflichtigen Beschäftigen zwischen 1995 und heute nur unmerklich gesunken, nämlich von 60 auf 55 Prozent. Diese Zahlen sind natürlich den Gewerkschaften bekannt.
Kritische Begleitung
Um nicht falsch verstanden zu werden: Arbeitnehmerüberlassung ist ein Instrument des Personaleinsatzes, das selbstverständlich kritisch zu begleiten ist. Missbrauch ist offenzulegen und zu ächten. Rein moralische Aspekte verbunden mit dem alleinigen Anspruch des sozialen Anstrichs, wo es keinen nachweisbaren Missbrauch oder Bedarf gibt, sind jedoch nicht angemessen und führen zu falschen Vorstellungen.
Polemischer Begriff
So ist schon der Begriff "Leiharbeit" rein polemisch, weil das Unternehmen, das einen auf Zeit überlassenen Arbeitnehmer bei sich einsetzt, dafür eine Gebühr bezahlt. Die Leihe ist aber unentgeltlich, so dass es sich um eine Dienstmiete handelt. Von dieser Miete erhält der Arbeitnehmer einen Teil von seinem Arbeitgeber als Lohn, der darüber hinausgehende Betrag ist die Überlassungsgebühr. Dies ist keine moderne Form der Versklavung. Auch der Stammarbeitnehmer vermietet seine Dienste gegen Lohn, nur eben bei dem, der ihn bei sich selbst einsetzt. Der Begriff "Arbeitnehmerüberlassung", d.h. entgeltliche Arbeit nach den Weisungen eines anderen Dienstherrn, ist daher die richtige Beschreibung.
Umfrage
Eine Umfrage unter unseren Mitgliedsfirmen hat ergeben, dass kein einziges Unternehmen Arbeitnehmerüberlassung generell gegenüber einer Festanstellung bevorzugt. Der ganz überwiegende Anteil setzt gar keine Zeitarbeitnehmer ein. Insgesamt haben nur 6 Prozent der befragten Unternehmen überhaupt davon Gebrauch gemacht. Die Zeitarbeit wird ausschließlich als Mittel zum flexiblen Personaleinsatz verwendet, d.h. zur kurzfristigen Reaktion auf Auftragsspitzen und besondere Situationen wie die Abwicklung größerer Projekte. Eine eingespielte und loyale Stammbelegschaft ist für unsere überwiegend mittelständische Wirtschaft das wichtigste Kriterium, d.h. Zeitarbeit ist eine punktuelle Ergänzung und keine bloße Gewinnoptimierung. Sie dient gleichzeitig dazu, wettbewerbsfähig zu sein und damit Beschäftigung zu sichern. (...)
Vergütung
Fest steht für die Unternehmen, dass Arbeitnehmer in der Zeitarbeit eine angemessene Vergütung erhalten müssen, d.h. zwar nicht zwingend den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft, insbesondere wenn die Vergütung wie in der Metall- oder Chemieindustrie sowieso schon erheblich höher liegt als in fast allen anderen Branchen, aber eben menschenwürdig. Löhne unterhalb des geforderten gesetzlichen Mindestlohnes werden rundweg abgelehnt.
Arbeitsverhältnisse
Ebenso wurde angeführt, dass viele Zeitarbeitnehmer mittlerweile in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen wurden, wenn sich der Beschäftigungsbedarf stabilisiert hatte. Damit ist die Zeitarbeit ein geeignetes Instrument für den Wechsel in eine feste Beschäftigung ohne Überlassung. Mehr als 60 Prozent der Zeitarbeitnehmer waren zuvor arbeitslos und konnten so in den ersten Arbeitsmarkt gelangen. Dieser soziale Aspekt wird in der öffentlichen Debatte verschwiegen.
Equal Pay
Es ist an der Zeit, die entgeltliche Überlassung von Arbeit in ein anderes Licht zu rücken. Die Forderung nach gleichem Lohn bei gleicher Arbeit ab dem ersten Tag ohne jede abweichende tarifliche Regelung ist populistisch und schädlich für die Beschäftigten. So ist es zwar richtig, zweifelhafte Tariflösungen mit scheinbaren Arbeitnehmerorganisationen nicht anzuerkennen. Die bisherigen Regelungen sind aber ausreichend und für die Praxis unverzichtbar, weil eine Anpassung des Kündigungsschutzes an betriebliche Wirklichkeiten nicht rasch zu erwarten ist. Eine lediglich an einzelnen Missbrauchsfällen angelehnte Gesetzgebung ist abzulehnen. Für die Arbeitnehmerüberlassung sprechen die Tatsache, dass es eben kein Massenphänomen ist, sowie folgende unstreitige Vorteile für Unternehmen und Beschäftigte:
Zeitarbeitnehmer stehen in einem festen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis mit Kündigungsschutz;
termingerechte Abwicklung von Aufträgen und Reduzierung fixer Kosten;
wirkungsvolles Personalinstrument bei extremen wirtschaftlichen Unsicherheiten wie zur Zeit;
Ergänzung und nicht Ersatz für die Stammbelegschaft;
Lohnunterschiede sind wegen häufiger vorheriger Arbeitslosigkeit gerechtfertigt (Einarbeitungsabschlag);
Übernahme in die Stammbelegschaft wird erleichtert;
tarifvertragliche Absicherung der Zeitarbeitnehmer. (Flensburger Tageblatt, 28.03.´11)