Brücken bauen zur Nachwuchsgeneration

„Das ist eine Generation, auf die wir bauen können. Allerdings müssen die Stärken noch gefördert und die Schwächen ausgeglichen werden“, fasste Prof. Dr. Klaus Hurrelmann (Hertie School of Governance), die Ergebnisse seines Vortrags und der Diskussion mit der iGZ-Projektgruppe „Zielgruppen des Arbeitsmarktes“ zusammen.

Auf Einladung des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) referierte Hurrelmann zum Thema „X, Y, Z - Wie unterscheiden sich die Erwartungen junger Generationen an den Beruf?“ Mit Hilfe dieser Informationen will die Projektgruppe schließlich unter anderem einen Flyer für die iGZ-Mitgliedsunternehmen gestalten, der bei der Ansprache und Rekrutierung der „Generation Y“, also der Geburtsjahrgänge von 1985 bis 2000, hilft. Diese Altersklasse bildet den Großteil der Zeitarbeitnehmerschaft.

Generationslagerung

Zunächst klärte Hurrelmann darüber auf, dass Umfeld und Lebensumstände zu einer „Generationslagerung“ führe – über rund 15 Jahre hinweg werde eine Generation durch die Ausgangssituation geprägt. Die jeweils junge Generation spiegele Entwicklungen und Tendenzen der Gesellschaft wider. Die Generation Y beispielsweise sei unter dem Eindruck von Umweltkatastrophen, Terror und Wirtschaftskrisen aufgewachsen. Hinzu komme die totale Erreichbarkeit durch die Entwicklung neuer digitaler Medien.

Entscheidungsangst

Im Ergebnis sei diese Generation flexibel – was auch bedeute, dass sie viel taktiere, sich nicht zu früh festlegen wolle, möglichst keine Entscheidungen fälle und improvisiere. Zudem sei sie sehr Ichbezogen: „Persönliche Bedürfnisse stehen im Vordergrund.“ Allerdings existiere andererseits ein hohes Niveau an sozialem Engagement einerseits und nahezu null Interesse an Politik andererseits. Ganz stark ausgeprägt sei zudem die Allianz mit den Eltern, ohne die eigentlich keine Entscheidung getroffen werde. „Das ist ein Leben mit Widersprüchen“, resümierte der Referent.

 

Brücken bauen

„Sie müssen Brücken bauen“, appellierte er an die Zeitarbeitsunternehmer, „denn noch nie war der Weg von der Bildung in den Beruf so lang.“ Über Betriebspraktika, Bildungspartnerschaften und diverse Modelle der Bundesagentur für Arbeit erschließe sich ein Zugang schon zur Schülerschaft. Auf jeden Fall solle auch der Kontakt zu den Lehrern gesucht werden, empfahl Hurrelmann für die Rekrutierung.

Schlechte Aussichten

Weiter Aspekt sei der „Fahrstuhleffekt“: 20 Prozent des Nachwuchses habe schlechte bis gar keine Schulabschlüsse und damit kaum Chancen in Beruf und Gesellschaft. „Das“, so Hurrelmann, „ist eine echte Aufgabe für Personaldienstleister, denn sehr vieles muss in dieser Gruppe nachtrainiert werden.“ Sehr hoher Wert werde außerdem auf die biographische Bedeutung der Berufswahl gelegt.

 

Wunsch und Wirklichkeit

Berufsanfänger wünschen sich laut Referent persönliche Erfüllung im Beruf: „Sie wollen Spuren hinterlassen und es ist häufig schwer, ihnen den Unterschied zur Realität zu erklären“, nannte er eine weitere zu nehmende Hürde. Eine Schlüsselrolle bei der Karriereplanung spielen heutzutage die Eltern: „Sie müssen auf alle Fälle auch mit den Eltern in Kontakt kommen, um sie bei den Entscheidungen gleich mitzunehmen“, legte er den Projektgruppenteilnehmern nahe.

Faktoren bei der Wahl

Zu beachten sei auch die Kombination von Sicherheit und Erfüllung: Selbstverwirklichung, Teamwork, das Betriebsklima, Projektarbeit und Zeiteinteilung seien für die Berufsanfänger wichtige Faktoren bei der Wahl. Karriere stehe heute nicht mehr im Vordergrund, bevorzugt werden laut Hurrelmann flache Hierarchien und familienähnliche Strukturen. Arbeitszeitregeln seien ebenfalls wichtig: „Diese Generation hat eine eingebaute Burnout-Sperre“, schmunzelte der Soziologe.

Geschlechterrollen

Gewandelt habe sich auch die Geschlechterrolle – Frauen haben Männer glatt überholt. Als Beispiel nannte er das Medizinstudium, wo derzeit 70 Prozent der Studierenden Frauen sind. Die klassischen Rollen gebe es zwar noch, aber mit der Karriere sei ein weiteres „K“ hinzugekommen.

Selbstständige Arbeitnehmer

Mit Disziplin, Konzentrationsfähigkeit und Belastbarkeit bringe die Generation vieles intuitiv mit, aber es müsse eben noch trainiert werden. „Persönliche Bedürfnisse und Arbeitsprozesse müssen zueinander passen“, unterstrich Hurrelmann. „Die Arbeit der Zukunft bedeutet Flexibilität und Mitgestaltung des selbstständigen Arbeitnehmers, und dafür ist die Zeitarbeitsbranche geradezu prädestiniert“, stellte er abschließend fest. (WLI)

Seit März 2009 ist Dr. Klaus Hurrelmann Professor für Public Health and Education an der Hertie School of Governance in Berlin. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt in der Verbindung von Sozial-, Bildungs- und Gesundheitspolitik, um umfassende Interventionsstrategien zur Prävention von sozialen und gesundheitlichen Benachteiligungen zu entwickeln. Außerdem führt er unterschiedliche deutsche und international vergleichende Studien zu Einstellungen, Wertorientierungen und Verhaltensweisen von Jugendlichen durch, die von verschiedenen zivilen Organisationen, Unternehmen und Stiftungen unterstützt werden. Dazu gehören die Shell Jugendstudien und Jugendstudien in 15 osteuropäischen und zentralasiatischen Ländern, die durch die Friedrich Ebert Stiftung gefördert werden. (WLI)

 

Über den Autor

Wolfram Linke

Wolfram Linke ist seit Juni 2008 Pressesprecher des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen. Davor arbeitete er 18 Jahre lang als Redakteur bei einer Tageszeitung, bildete regelmäßig Volontäre aus, führte Praktikanten in die Welt des Journalismus ein und hielt zahlreiche Fachvorträge zum Thema Medien. Linke ist außerdem zertifizierter Online-Redakteur, Certified Microsoft Technology Associate (Windows und Netzwerke) und hat mehrere weitere Microsoft- sowie Adobe-Zertifikate. Seit März 2014 ist er Vorsitzender des Pressevereins Münster-Münsterland.


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