Branchenzuschläge weitestgehend akzeptiert

DM: Welchen Eindruck haben Sie kurz nach der Einführung der ersten Branchenzuschläge? Wie kommen Unternehmen und Personaldienstleister mit der neuen Situation zurecht? Ist eine Steigerung der Personalaufwände zu beobachten? Was funktioniert in der Umsetzung gut, wo hakt es noch?

Ralf Lemle: Bislang sind noch keine Auswirkungen spürbar. Die neuen Branchenzuschläge wurden von den Kundenunternehmen weitestgehend akzeptiert. Saisonal bedingt registriert die Zeitarbeitsbranche derzeit einen leichten Rückgang. Wie und ob sich die Branchenzuschläge auswirken, wird sich erst im Frühjahr 2013 zeigen, wenn die Kundenunternehmen wieder Personal nachfragen. Tendenziell liegt der Schwerpunkt jedoch auf dem klassischen Aspekt 'flexibler Einsatz von Arbeitskräften'. Dank professioneller Umsetzung der Branchenzuschläge in den Softwareprogrammen und eines umfangreichen Seminarangebots durch den Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen für seine Mitglieder sind die Personaldienstleister bereits recht routiniert im Umgang mit den Zuschlägen. Probleme gibt es nur in Einzelfällen, die aber bislang stets durch Nachfrage im iGZ-Rechtsreferat gelöst werden konnten.

DM: Kann man aufgrund der Tarifangleichung in der Metall- und Elektroindustrie und der Chemischen Industrie im November 2012 bereits eine Marktbereinigung bei Personaldienstleistern beobachten? Wenn nicht: Erwarten Sie diese - spätestens wenn alle anderen Branchen bis April 2013 nachgezogen sind?

Ralf Lemle: Bislang nicht. Es ist aber damit zu rechnen, dass Zeitarbeitsunternehmen, die nur einen kleinen Kundenstamm haben, Probleme bekommen werden, wenn ihre Kunden die Zuschläge nicht akzeptieren. Auch Firmen, denen es an qualifiziertem Personal mangelt, werden eventuell in eine Schieflage geraten. Durch die seit Januar 2012 geltende Lohnunterschranke und die neuen Branchenzuschlagstarife wird der Wettbewerb künftig nicht mehr über den Preis, sondern über die Qualität der Personaldienstleistung und damit auch über die Qualifizierung der Mitarbeiterschaft geführt. Wer sich also nicht rechtzeitig um die Weiterbildung seiner Zeitarbeitnehmerschaft kümmert, wird am Ende das Nachsehen haben.

DM: Wie gestaltet sich die Situation speziell im Bergischen Land und Düsseldorf? Gerade im Bergischen Land sitzen ja viele produzierende Unternehmen, die von der Tarifangleichung in der Metall- und Elektroindustrie betroffen sind.

Ralf Lemle: Derzeit lässt sich eine Auswirkung der Branchenzuschläge für diese Region schwer ermitteln bzw. prognostizieren, denn die produzierenden Unternehmen spüren eine leicht schwächelnde Konjunktur, die mögliche Effekte der Branchenzuschläge überlagert. Immer mehr reine Zeitarbeitsfirmen erweitern ihr Dienstleistungsspektrum hin zum kompletten Personaldienstleister. Beispiele dafür sind „Try & Hire", eine Kombination aus Festanstellung und Zeitarbeit, „On-Site-Management", die Integration eines externen Personaldisponenten ins Kundenunternehmen oder auch das professionelle Recruiting von externen Zeitarbeitnehmern.

DM: Wird die klassische Zeitarbeit langfristig gesehen diesen neuen Modellen weichen?

Ralf Lemle: Schon jetzt gehen viele Zeitarbeitsunternehmen neue Wege im Personalmanagement. Firmen lassen sich beispielsweise als Bildungsträger zertifizieren, übernehmen die Aufgaben der Personalabteilungen in großen Kundenunternehmen oder engagieren sich im Recruiting neuer Mitarbeiter für ihre Kunden. Das Bild der Personaldienstleistung wird sich wandeln und weiterentwickeln. Die klassische Karriere - Ausbildung und Berufslaufbahn bis zur Rente in nur einem Betrieb - gehört längst der Vergangenheit an. Die Personaldienstleister werden zu den Stellen-Managern der Arbeitnehmerschaft. (WLI)