Auf 100 Worte mit Dr. Ulf Rinne
In unserer Interview-Reihe "Auf 100 Worte" bringen Experten ihre Aussagen auf den Punkt, denn sie dürfen nur 100 Worte zur Antwort verwenden:
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt könnte herausfordernder nicht sein. Zu den globalen gesundheitlichen und wirtschaftspolitischen Krisen gesellt sich in Deutschland das Missverhältnis von hohem Arbeitsvolumen und wenig Arbeitskräften. Kurz: Wir erleben eine Zeitenwende.
Was ist das wirksamste Mittel gegen die Engpässe auf dem Arbeitsmarkt?
Berufliche Mobilität, Anpassungsbereitschaft und Anpassungsfähigkeit sind die wirksamsten Mittel gegen Arbeitskräfteengpässe. Dazu muss unter anderem die Aus- und Weiterbildung gestärkt werden: Denn die Transformation der Arbeitswelt geht damit einher, dass Arbeitsplätze in manchen Bereichen entfallen und an anderer Stelle neu entstehen – zumeist jedoch mit veränderten Qualifikationsanforderungen. Bildungsinvestitionen sind der Schlüssel, damit die Arbeitskräfte der Zukunft auch über die Qualifikationen der Zukunft verfügen. Außerdem gibt es im Bereich der Zuwanderung noch Potenziale: Hier sollte endlich ein kohärentes Gesamtpaket von integrationspolitischen Maßnahmen geschnürt werden, welches nicht nur die Einreise, sondern auch die Phase davor und einen Zeitraum danach in den Blick nimmt.
Es gibt gute Lösungsansätze, die aber nicht so einfach in die Tat umgesetzt werden können. Welche Hemmnisse sehen Sie?
Es besteht in Deutschland die Tendenz, sinnvolle und effektive Lösungen bei ihrer Umsetzung mit Bürokratie zu überfrachten. Gut gemeint ist zu häufig nicht gut gemacht, wie etwa der Bereich Zuwanderung zeigt. Seit Jahren hapert es bei der Anerkennung ausländischer Qualifikationen in der Praxis. Hier ist Deutschland viel zu stark auf formale Zertifikate fixiert und es wird zu wenig auf die Fähigkeit der Arbeitgeber vertraut, geeignete Bewerber zu finden. Auch im Zusammenhang mit der geplanten Chancenkarte droht nun eine umfangreiche Bürokratie zur Prüfung der dafür geforderten Kriterien. Ein Befreiungsschlag erfordert aber Mut für unkonventionelle Lösungen.
Was raten Sie Personaldienstleistern, die jetzt händeringend nach Personal suchen, um ihre Kundenanfragen zu bedienen?
Der Arbeitsmarkt wird immer mehr zu einem Bewerbermarkt. Im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte zählt zunehmend das Gesamtpaket. Obgleich der Lohn weiterhin ein wichtiger Faktor ist, haben auch die nicht-monetären Aspekte eines Jobs einen sehr hohen Stellenwert – vor allem in den jüngeren Generationen. Diese Aspekte beinhalten unter anderem die arbeitgeberseitige Unterstützung der Vereinbarkeit von beruflichen und privaten Anforderungen, beispielsweise durch großzügige und praxistaugliche Homeoffice-Regelungen oder durch andere Optionen zum orts- und zeitflexiblen Arbeiten, sowie das Vorhandensein von beruflichen Aufstiegsperspektiven, einer offenen Unternehmenskultur und Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung im Unternehmen. Mehr denn je sind also kreative Lösungen zur Personalgewinnung gefragt.
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