AÜG-Reform "nicht sachgerecht"
„Die Einsatzbranche darf, aber kann nicht. Die Zeitarbeitsbranche darf nicht, aber könnte“, kommentierte Prof. Dr. Martin Franzen, Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, die geplante Beschränkung auf Tarifverträge der Einsatzbranche bei der Höchstüberlassungsdauer.
Vor rund 300 Zuhörern erläuterte er beim 5. Potsdamer Rechtsforum die vorgesehenen Neuregelungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) und bewertete den Referentenentwurf. „Wie können die Tarifverträge der Einsatzbranche eine Höchstüberlassungsdauer in einem Tarifvertrag überhaupt umsetzen?“, hinterfragte Franzen die vorgesehene Tariföffnungsklausel, die seiner Meinung nach ein völliger Fehlgriff sei.
Regelung fragwürdig
Mit Blick auf die Tarifautonomie sei diese Regelung zudem verfassungsrechtlich äußerst fragwürdig. Auch der iGZ fordert in der Diskussion um die AÜG-Reform eine sinnvolle Regelung. Franzen richtete in diesem Zusammenhang den Blick auf die europäische Zeitarbeitsrichtlinie: „Verbote und Beschränkungen der Zeitarbeit sind dann überflüssig und können zurückgenommen werden, wenn die Zeitarbeitnehmer über angemessene Arbeitsbedingungen verfügen“, zitierte der Jurist und ergänzte, Arbeitnehmerüberlassung sei laut EU eine grundsätzlich erlaubte Wirtschaftstätigkeit und werde daher vom Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit und der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit nach Art. 16 GRC umfasst.
Definitionen fehlen
Das Fazit von Franzen fiel auf Basis seiner Analysen schließlich folgerichtig dementsprechend vernichtend aus: Der Gesetzentwurf wolle mit den Regelungen dem Missbrauch der Zeitarbeit begegnen und sie auf ihre Kernfunktionen reduzieren. „Allerdings bleibt der Gesetzgeber die Definition schuldig, was Missbrauch überhaupt ist und was er unter den Kernfunktionen der Zeitarbeit versteht. Die Zeitarbeitnehmer verlieren ihren Schutz nach 18 Monaten“, urteilte der Referent und ergänzte: „Das ist unzulässig, wenn der Gesetzgeber gleichzeitig den Gleichheitsgrundsatz verwirklicht. Das erscheint mir nicht sachgerecht.“
Staatliche Neutralität
Auch zur geplanten Streikregelung bezog er Stellung: „Das ist ein bedenklicher Eingriff. Diese Regelung bedeutet einen Verstoß gegen den Grundsatz der staatlichen Neutralität im Arbeitskampf und ist eine Verschiebung der Kampfparität zu Lasten der Arbeitgeberseite. Der AÜG-Entwurf ist überflüssig und sollte den Weg ins Bundesgesetzblatt nicht finden“, schloss Franzen seinen Vortrag. Im Anschluss diskutierten die Teilnehmer gemeinsam mit dem Referenten die Inhalte der geplanten AÜG-Reform. (WLI)