Arbeitsschutzkontrollgesetz: "Bedenklich und untauglich"

Im Bundestag wird weiter diskutiert über das Arbeitsschutzkontrollgesetz und damit über ein mögliches Verbot von Werkverträgen und Zeitarbeit in der Fleischindustrie. Dr. Benjamin Teutmeyer, stellvertretender Leiter iGZ-Fachbereich Politische Grundsatzfragen, hat jetzt Gitta Connemann, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, getroffen. Im Drei-Fragen-Interview stellt sie klar, dass sie Flexibilität für Unternehmen und Wirtschaft schätzt und nicht viel von dem geplanten Gesetz hält.

  1. Im Bundestag sollte ursprünglich diese Woche das Arbeitsschutzkontrollgesetz verabschiedet werden. Wie bewerten Sie das hierin vorgesehene Verbot von Werkverträgen und Zeitarbeit in Betrieben der Fleischindustrie mit mehr als 49 Mitarbeitern?

Die angedachten Verbote sind für mich verfassungsrechtlich bedenklich und inhaltlich untauglich. Es gibt keine „bösen“ oder „guten“ Vertragsformen. Weder Werkvertrag noch Zeitarbeit sind das Übel, sondern manchmal die Arbeitsbedingungen derer, die diese ausführen. Daher würden solche Verbote auch nichts bringen. In Sachen Werkverträge ist das allerdings nur noch eine theoretische Diskussion. Denn die Fleischbranche hat erklärt, zukünftig auf Werkverträge verzichten zu wollen.

Mit dem GSA Fleisch gibt es bereits ein scharfes Schwert. Fleischunternehmen haften auch für Subunternehmer, inklusive der Sozialversicherungsbeiträge. Arbeitsstunden müssen detailliert aufgezeichnet werden. Arbeitsmittel, die von Arbeitgeber gestellt werden, dürfen dem Arbeitnehmer nicht in Rechnung gestellt werden. Bei Verstößen gegen die Regelungen drohen Geldbußen bis zu 50.000 Euro. Aber nicht jeder Arbeitnehmer ist über diese Rechte auch aufgeklärt. Und immer wieder erregen die Wohnunterkünfte Anstoß. Mindestlohnregeln dürfen nicht umgangen werden, in dem Unterkünfte überteuert vermietet werden oder der Transport zur Arbeit in Sammelbussen zu Phantasiepreisen abgerechnet wird. Freilich müssen die Länder dann aber auch ihren Kontrollpflichten nachkommen.

Jeder von uns steht hinter dem Ziel des Arbeitnehmerschutzes. Es ist sinnvoll, zu handeln. Hier geht es aber nicht um das Ob sondern um das Wie des Gesetzes. Dazu hat die Bundesregierung Eckpunkte verabschiedet. Der vorliegende Gesetzentwurf geht weit darüber hinaus - ohne Not. Danach soll ein Handwerksbetrieb mit 49 Beschäftigten als Industrie gelten. In Sonntagsreden wird das lokale Handwerk gelobt, aber damit würde die Axt an die Betriebe gelegt. Wer weiterhin Fleischereien und Metzgereien will, kann das nicht so hinnehmen. Das ist ebenso wenig durch die Eckpunkte gedeckt wie das Kooperationsverbot. Auch das Verbot von Zeitarbeit außerhalb des Kernbereichs geht über die Eckpunkte hinaus. Zu den Eckpunkten steht die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag. Aber damit haben diese Auswüchse im Gesetzentwurf kaum mehr etwas zu tun.

  1. In dem Gesetzgebungsverfahren haben zahlreiche namhafte Experten gravierende Zweifel an der Verfassungs- und Europarechtskonformität eines Zeitarbeitsverbots geäußert. Das letzte Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu einem sektoralen Zeitarbeitsverbot stammt aus dem Jahr 1987. Erwarten Sie eine Klage, wenn das Verbot in Kraft tritt?

Ja, ich erwarte Klagen. Ja, die Bedenken teile ich voll und ganz. Ob ein Unternehmen eine Leistung selbst erbringt oder aber fremd vergibt, gehört zu seiner unternehmerischen Freiheit. Diese Entscheidung macht gerade die Natur des Unternehmens aus. Dass es selbst dem BMAS bei diesem Verbot nicht wohl ist, zeigt sich in der Begründung des Gesetzentwurfs. Wortreich wird ausgeführt, warum die Verbote von Werkverträgen und Leiharbeit verfassungs- und europarechtskonform sein sollen. Das juristisch Offensichtliche bedarf aber nicht der vielen Worte. Und beim Blick in die Gesetzesbegründung mehren sich die Zweifel.

Gerade bei der Zeitarbeit leuchtet mir nicht ein, warum hier ein Verbot der bessere Weg sein soll. Missbräuche wurden nicht nachgewiesen. Ihr Anteil in der Fleischindustrie ist klein. Aber die Branche ist auf diese angewiesen: Wenn Grillsaison ist, braucht es Grillfleisch. Das muss kurzfristig abrufbar sein. Hierfür muss ggf. kurzfristig Personal zur Verfügung stehen. Hier sind dank der Zeitarbeit passgenaue Lösungen möglich - bei Sicherstellung des vollen Arbeitnehmerschutzes. Denn der Zeitarbeitnehmer ist gerade auch durch die letzte Reform des AÜG umfassend geschützt. Er hat ein Recht auf Equal Pay, wo er nicht zumindest nach tarifvertraglichen Regelungen bezahlt wird. Für den Zeitarbeitnehmer gilt der gleiche Gesundheitsschutz. Der Betriebsrat ist auch für den Entleiherbetrieb mit zuständig. Zwei prominente Arbeitsrechtler, Franz-Josef Düwell und Gregor Thüsing, haben daher jüngst in der Süddeutschen gefordert: „Die Fleischindustrie muss sich umstellen, aber dabei flexibel bleiben. Ein Verbot der Leiharbeit ist kontraproduktiv.“ Recht haben die beiden.

Unternehmen brauchen Flexibilität. Diese bieten Zeitarbeit sowie Kooperationen. Wir reden hier über die Zukunft von mehr als 1.300 Betrieben in Deutschland. Das sind eben nicht nur Schlachthöfe sondern auch Verarbeiter und Produzenten von Wurst, Grillgut, Schinken uvm. Wer diese Struktur zerstört, nimmt in Kauf, dass diese Waren zukünftig nur noch aus dem Ausland kommen. Davon profitieren werden Arbeitnehmer noch Verbraucher oder Tiere. Denn bei uns gelten die weltweit höchsten Standards.

  1. Halten Sie das Verbot für ein Einfallstor für weitere sektorale Verbote der Zeitarbeit?

Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion und auch der Bundesarbeitsminister haben bereits erklärt: „Was wir jetzt tun, kann ein Modell für andere Branchen werden.“ Und in der Tat: Vieles, was der Gesetzesentwurf als Begründung angeführt, kann eins zu eins auf andere Branchen übertragen werden. Wir reden eben nicht über regulative Kleinigkeiten, sondern über Vorschriften, die weit in die Organisationshoheit der Unternehmen eingreifen. Arbeitsteilige Zusammenarbeit verschiedener Unternehmen soll erschwert oder unterbunden werden. Das ist rechtspolitisch starker Tobak. Bedenket das Ende. (BT)