Arbeitsrecht des Zielstaats beachten

Im Fokus des Vortrags von Prof. Dr. Martin Franzen, Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, stand die geplante Reform der Entsenderichtlinie zum 30. Juli 2020 und ihre Bedeutung für die Zeitarbeit. Die Reform der EU-Entsenderichtlinie im Mai 2018 erfordere eine Überarbeitung des deutschen Arbeitnehmer-Entsendegesetzes erklärte er im Rahmen seines Referats beim achten Potsdamer Rechtsforum.

Ziel, so Franzen, sei es, dass künftig für entsandte Arbeitnehmer in Europa die gleichen Lohn- und Arbeitsbedingungen wie für die jeweils einheimischen Arbeitnehmer gelten. Damit solle dann auch das deutsche Arbeitsrecht für in Deutschland eingesetzte Zeitarbeitnehmer gelten.

Arbeitsrecht nutzen

Voraussetzung dafür sei, dass ausländische Zeitarbeitsunternehmen auch wissen müssen, ob die Zeitarbeitnehmer in Deutschland eingesetzt werden – Voraussetzung dafür, dass sie überhaupt deutsches Arbeitsrecht nutzen können. Das sei beispielsweise bei mittelbarer Überlassung interessant: Sitze etwa ein Zeitarbeitsunternehmen in Polen und überlasse den Zeitarbeitnehmer an einen in Deutschland sitzenden Kunden, galt bislang die Entsenderichtlinie 96/71/EG (Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen).

Durchsetzungsrichtlinie

Setze der Kunde den Zeitarbeitnehmer in Frankreich ein, gelte er als vom polnischen Zeitarbeitgeber nach Frankreich entsandt. Folge: Das Zeitarbeitsunternehmen muss die dortigen Regelungen einschließlich der Durchsetzungsrichtlinie 2014/67/EU beachten. Dasselbe gelte laut Franzen, wenn ein deutscher Zeitarbeitgeber seine Zeitarbeitnehmer an deutsche Kunden überlasse und dieser den Zeitarbeitnehmer in einem anderen Mitgliedstaat einsetze.

Tarifautonomie

Das BMAS hat zunächst im Mai 2019 ein Eckpunktepapier vorgelegt, dass deshalb für alle Kundenunternehmen eine dazu passende Informationspflicht definiert. Die EU-Richtlinie verlange zudem eine Angleichung der Löhne für die in Deutschland tätigen Arbeitnehmer ausländischer Unternehmen. Aktuell gelten die Mindestlohnsätze. Der Terminus "Mindestlohn" sollte laut Vorschlag der EU-Kommission in "Entlohnung" umbenannt werden. Dies sei dann in der EU berücksichtigt worden und müsse nun auch entsprechend in Deutschland umgesetzt werden. Dabei solle auch die Tarifautonomie sichergestellt sein.

Arbeitgeber trägt Kosten

Zulagen wie etwa für die Kosten von Unterkunft, Verpflegung und Reise sollen nicht auf den Lohn angerechnet werden dürfen. Die Kosten dafür sollen künftig laut Richtlinie stets vom Arbeitgeber gemäß den Bestimmungen in ihrem Herkunftsland übernommen werden. Entsendezulagen sollen, so Franzen, nicht mehr pauschal auf das Entgelt in Deutschland angerechnet werden können. Es sei denn, die Zulagen sind nicht für den Ausgleich der entsendebedingten Kosten der EU-Arbeitnehmer bestimmt.

Gleichbehandlung

„Mitgliedstaaten der EU“, so der Referent, „müssen für grenzüberschreitend eingesetzte Zeitarbeitnehmer den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 5 RL 2008/104/EG anwenden. Außerdem können die Mitgliedstaaten nach Art. 3 Abs. 9 RL 96/71/EG grenzüberschreitend eingesetzte Zeitarbeitnehmer vollumfänglich mit rein innerstaatlich eingesetzten Zeitarbeitnehmern gleichstellen.“

Gleichbehandlung nach zwölf Monaten

Neu sei auch der Umgang von Entsendungen, die länger als zwölf Monate dauern: Laut Grundsatz der Gleichbehandlung solle die Regelung unabhängig vom jeweils auf den Arbeitsvertrag anwendbaren Recht und nur bezogen auf die Rechts- oder Verwaltungsvorschriften des Zielstaats gelten. Ebenfalls zu berücksichtigen seien dann allgemeinverbindliche Tarifverträge und sonstige allgemeine Tarifverträge, die der Mitgliedstaat nun von sich aus auch auf entsandte Arbeitnehmer anwendet.

Bedingungen verschlechtert

Seiner Meinung nach würden die Bedingungen für die Erbringer grenzüberschreitender Dienstleistungen aus den EU-Mitgliedstaaten mit niedrigerem Lohnniveau durch die Änderungen verschlechtert. „Außerdem werden Entsendungen von Arbeitnehmern aus Hochlohnländern wie Deutschland erschwert, weil ab zwölf beziehungsweise 18 Monaten nahezu das gesamte Arbeitsrecht des Zielstaats zu beachten ist“, zog Franzen sein Fazit. (WLI)